Vom traurigen zum schlechten Date

Und dann war da noch das schlechte Date. Oder das – wie ein Freund sagte – Date, das so gar nicht classy war. Dass damit anfing, dass ich ihn sah und dachte: Oh well, naja, vielleicht ist er ein cooler Typ.

Spoiler: War er nicht.

Ich kann da nicht mal so den Finger drauflegen, warum das so war. Ich hatte ihn abgespeichert als ein bisschen der Typ wie mein Ex (böser Fehler, ich weiß) – nicht groß, Bart, Brille. Leider waren das die einzigen, sehr oberflächlichen Gemeinsamkeiten, die sich da finden ließen.

Ist ja eine erwiesene Tatsache, dass man solche vermeintlichen Ähnlichkeiten oft sieht und dann denkt: Oh super! Das war ja ein netter Mensch – und das dann fälschlicherweise auf die neue Person überträgt, die man gerade erst getroffen hat. (Das Spiel gibt’s natürlich auch im negativen Sinne: Oh was, Thomas? Den will ich nicht kennenlernen? Mein EX hieß Thomas. Menschen sind von grundauf halt dumm – ja, ich schließe mich hier natürlich explizit ein).

Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass ich mir auch nach einem zweistündigen Gespräch sehr sicher war, dass er kein soooooo netter Mensch ist.

Da waren vielleicht durch diesen Ex-Vergleich meine Erwartungen auch zu hoch.

Der Herr war (ist wahrscheinlich auch noch) Fotograf und hatte mich vor dem Treffen gefragt, was mit meinen Fotos los sei. Bitte, was?

Ich würde auf allen Bildern so unterschiedlich aussehen und er könne sich da überhaupt kein Bild machen.

Könnt ihr euch vorstellen, dass mich das etwas getriggert hat, was? Nun, ich erklärte ihm den Stand der Dinge – dass ich mich auf den einen Bildern furchtbar finde, meine Freunde aber zu den anderen Bildern geraten hätten und ich irgendwie nichts davon so richtig hervorragend fände.

Er überredet mich, ihm ein Selfie zu schicken, was ich auch tat – er so: Ok, dann kann ich’s mir vorstellen. Ist doch prima, lass ma treffen.

Man traf sich so. Man ging in eine Bar.

Gefühlt sprachen wir in erster Linie erstmal nur über ihn, seinen Job, wie er nach Berlin kam. Alles legitim, nur blieb es irgendwie etwas einseitig. Ist aber auch nicht zwingend schlimm, ich hab‘ ja Fragen gestellt – sowas hat immer seine eigene Dynamik.

Wir hatten vorher etwas übers Reisen geschrieben, weil er anscheinend einige längere Trips auf dem Motorrad unternommen hatte.

Nun, ich fragte ihn darüber aus, weil mich das interessiert. Aber als ich mal ungefragt eine meiner Reisegeschichten einstreute, war er ziemlich desinteressiert. War wahrscheinlich langweilig, verglichen mit den Motorradtouren.

Er lenkte das Thema auf Anthropologie. Damit landeten wir dann bei der Frage, warum Menschen Kinder bekommen und Beziehungen haben.

Ok, denke ich, vielleicht wird da jetzt noch voll das interessante Gespräch draus.

Interessant war’s auch, aber anders, als gedacht.

Denn: „Nun, warum habe ich denn eine Beziehung? Weil ich mich gut unterhalten will?“, fragt er mich.

Ich so: Ehhh, auch – hoffentlich. Ist schon klar, dass man nicht jeden Tag nach der Arbeit noch ne Runde philosophieren wird und manchmal muss man auch mal schweigen, versuche ich das aufzufangen….

Ich will das weiter ausführen, aber ich rudere anscheinend meilenweit am Punkt vorbei, denn er fängt es auf.

„Nein, das kann ich doch auch alles mit meinen Freunden machen. Am Ende geht es doch um Sex. Um die Anziehung.“

Ich nehme einen großen Schluck von meinem Rosé und denke: Ist das jetzt wirklich, wie das hier läuft? Anscheinend ist es das, ja. (Oder wie mein Kumpel später sagte: In Berlin sind erstaunlich viele Leute nicht classy – und auch noch stolz drauf).

Anziehung und Sex seien das Wichtigste und am Ende das Ding, was eine Beziehung eine Beziehung macht, sagt er.

Ja – ein. Ich will mit meinen Freunden nicht schlafen und das ist gut so. Hab ich die nicht trotzdem lieb? Ja, aber hallo.

Aber wie meistens, ist das halt auch komplizierter. Habe und hatte ich männliche Freunde, die ich sehr geschätzt habe, mit denen ich aber keine Anziehung hatte? Absolut. Aber es gibt auch welche, die ich sehr mag und sogar anziehend finde, aber bei denen ich mir ganz, ganz sicher bin, dass wir uns in einer Paarbeziehung ganz bald umbringen würden.

Oder zumindest, überhaupt nicht gut füreinander wären.

Es ist……komplex…

 „Ja, Anziehung ist schon wichtig, aber andererseits wird die auch nie ewig bleiben etc.“

Man müsse halt dran arbeiten, sagt er. Gut, da stimme ich auch zu. Logisch halt.

„Siehst du, ich hatte eine Freundin“……so fangen die besten Geschichten auf Dates an, kann ich euch sagen.

„Sie wollte gern, dass wir zusammenziehen. Das haben wir dann auch gemacht. Aber wenn man sich jeden Tag sieht, wurde es für mich immer offensichtlicher, was ich schon von Anfang an wusste – ich hab mich nie zu ihr hingezogen gefühlt.“

Ihr seht schon, wo das hinführt, oder?

Deswegen musste der arme Mann dann sein liebstes Hobby woanders ausüben. Er hatte aber doch ein Gewissen – er musste dann bei der Frau ausziehen, weil einfach in ihrer Wohnung wohnen und sie betrügen, das ging nicht.

Sie waren natürlich weiter zusammen und er betrog sie am Ende für etwa ein Jahr.

Ich bestelle mir noch einen Wein – da ist so viel zu entpacken an der Story.

Warum er denn nicht mal mit ihr gesprochen habe? Ging nicht, er wusste ja, dass sie ihn dann verlassen hätte.

Und wie ist es dann am Ende geendet? Sie hat ihn drauf angesprochen, weil sie gemerkt habe, dass was los gewesen sei – und dann hat sie ihn nach dem Geständnis verlassen.

Gut für dich, unbekannte Frau – ich trinke auf dich!

Im Nachhinein hätte er dann doch gelernt, dass das so scheiße war und er mit ihr hätte reden sollen, sagte er.

Ich trinke einfach weiter, weil was soll ich dazu sagen? Top! Hast ja echt was gelernt dann?

Ich frage ihn, wie alt er noch gleich ist – das hätte er doch schon vorher wissen können.

Das hat wohl gesessen, er hat gerade noch sein Alter bei OKC um vier Jahre nach unten gesetzt. Ich bin deutlich jünger als er.

Wir reden noch ein bisschen, aber mein Wein ist jetzt sowas von leer.

Ob wir gehen sollen, fragt er. Ich war grad drauf und dran, mir auf die Story noch einen Wein zu bestellen, aber gut. Lass ma zahlen dann.

Der Abend ist eh gelaufen, denke ich – aber wenn ich ihn so ansehe, glaube ich nicht, dass das bei ihm angekommen ist. Ich nehme demonstrativ meine Haare wieder zusammen und binde sie fest.

Wir zahlen und gehen ein Stück. Wo ich denn hinlaufen wollte, fragt er.

Zur Bahn, sage ich. Ob wir uns denn nicht setzen sollten? Der Herr zeigt auf eine Bank.

Dude, das ist das ALLERLETZTE, was ich jetzt machen möchte. Und wieso fühl ich mich wieder so nüchtern?

Ich schlage vor, sich im Späti nochwas zu trinken zu kaufen und wir laufen noch ne Runde um den Block, kommen an meiner Haltestelle an. Im Nachhinein würde ich sagen, das war auch nicht die beste Idee, wenn man eigentlich nach Hause will – noch was trinken.

Wir laufen also noch einen Schlenker um die U-Bahnstation.

Er fragt, ob ich bei ihm noch was trinken will. Nein, will ich nicht.

Ich drehe mich um und steuere wieder auf die Haltestelle zu.

Und versuche nochmal eben auf mein Thema umzulenken. Er hat mir nie eine Antwort dazu gegeben, welche von meinen Fotos jetzt treffender/besser/attraktiver waren.

Keine, sagt er. Ehhh….not hilfreich.

Kein einziges der Bilder würde so richtig darstellen, wie ich aussehe, aber das sei ja nicht schlimm, sagt er. Ich sei jetzt zwar nicht schön, aber attraktiv und sexy und das sei wohl das Wichtigste.

Ich trinke mein Bier leer an, schaue die leere Flasche an, schaue ihn an und zurück.

Hmpf.

Sooooo viel zu entpacken, hier mal wieder.

Weiß echt nicht, ob er gedacht hat, dass das jetzt ein Kompliment war. Oder er dachte, dass so ein pickup-artist-mäßiges Beleidigungskompliment jetzt hilft. Also das Verstärken von Komplexen mich jetzt zum Umdenken bringt nach dem Motto, yea, dann schlaf ich halt mit dem.

Tat es nicht.

Ob ich denn jetzt wirklich nicht? Nein, wirklich.

Warum?

Weil…….weil ich deinem liebsten Hobby jeden Tag mit fünf Menschen nachgehen könnte, wenn ich das so dringend wollte.

Will ich aber nicht. Weil ich tatsächlich leider nicht so funktioniere – und ich null Interesse habe an Menschen, die ich nichtmal mag. Selbst wenn sie schön sind/wären.

War er nicht, aber das sag ich ja jetzt nicht.

Ich verweise auf seine Exfreundinnen-Story.

Aber die Ex fand er ja nicht sexy.

Junge, du machst es jetzt nicht besser, wirklich nicht – genau das Gegenteil.

Ich danke ihm für seine Ehrlichkeit, stelle mein Bier ab und verschwinde in die U-Bahnstation.

Als ich am Alex ankomme, leitet er mir eine Nachricht weiter, angeblich von einem Freund, der uns in der Bar gesehen hab: Ich hab dich mit einer schönen Frau weggehen sehen.

Ist ihm vielleicht doch noch aufgefallen, dass das ein Kack-Kompliment war vorher. Ich bedanke mich – aber das ändert nun wirklich nichts mehr. Der Drops ist sowas von gelutscht.

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