Als der Stalker aus dem Schrank fiel

Hier ist immer noch alles etwas im Unruhe-Zustand. Also in meiner neuen Wohnung. Beim Auf- und Umräumen fielen mir gerade alte Fotos in die Hand. Was grinste mich da an? Wie dünn ich mit 20 war. Oh, und die einzige fotografische Dokumentation von meinem Stalker. Tja, das ist jetzt gut und gerne 14 Jahre her. Hatte ich mal erwähnt, aber hab ich die ganze Geschichte erzählt? No? Well, well, das wird lustig…

Ich schätze mal, ich muss 20 gewesen sein, als ich ihn kennenlernte. 20 und bereits verdammt deprimiert, dass alle anderen einen Freund hatten. Dass meine Freundinnen im Club immer angesprochen wurden, nur ich nicht. Zu Deutsch: Ich war ein verdammtes Mäuschen.

Ok, ein Mäuschen, das ihre Unsicherheit gern mit absurd hohen Schuhen (ich bin eh groß) und kurzen Röcken umspielte.

Aber zur Sache. Er war ganz nett. Ich war nicht unfassbar verknallt oder so, aber das reichte mir. Endlich hatte mal jemand Interesse. Und die ersten paar Wochen waren ganz schön.

Die erste große Red Flag kam, als er mich seinen Freunden vorstellen wollte. Innerlich war ich super euphorisch, der meint es ja richtig ernst!

Ich stimmte also zu, klar gerne. Was kam dann? Der erste Mensch, den er mir unbedingt vorstellen wollte, war seine Ex-Freundin, mit der er sieben Jahre oder so zusammen gewesen war und vor (weiß nicht mehr genau) seit drei Monaten Schluss hatte.

Eh…….ok. Nix gut für Mäuschen. Ich war also scheiße-nervös. Er war ein paar Jahre älter als ich, vielleicht so sechs oder sieben? Sie war noch älter als er, also Anfang 30 oder so.

Kam mir damals uralt vor – haha, der geht auf mich, die ich bald 35 werde.

Wir saßen also in einem der wenigen ok’en Cafes der Stadt und warteten auf THE EX. Sie kam mit einer Freundin (fand die Idee des Treffens wohl auch so mittel).

Er stand auf sie zu begrüßen und…….gab ihr einen Schmatzer auf den Mund.

Mein 20-jähriges Ich war verblüfft und mein 34-Jähriges ist es heute noch. WTF, Alter?

Keine gute Idee. Ich ignorierte das erstmal und gab mein Bestes, auf normal und locker zu machen.

Aber der Kopf, oh, der Kopf. Die ist ja nicht mal attraktiv, ging es mir durch die Birne. Älter, klein, untersetzt, nicht so der Bringer, dachte ich. Dann sind seine Standards wohl nicht gerade hoch. Ist das fies? Ohja. Aber mein 20-jähriges Ich wollte keine echte Beziehung, sondern nur jemanden, der mir sagt, dass ich super bin so wie ich bin.

Nun, einige Zeit später teilte er mir mit, dass er die EX wieder getroffen habe. Und sie ihm verklickert habe, dass das mit dem Mundkuss zur Begrüßung gar nicht klar geht. Ich pflichtete dem bei.

Aber das half mir nur bedingt, denn das Mundkuss-Wasser war verschüttet. Ich war eifersüchtig.

Das half mir in der Zukunft nur wenig, mich in seinen Freundeskreis zu integrieren, den er seit dem Gymnasium pflegte. Geil, was liebe ich feste, eingeschworene Gruppen mit Ex-Partnern drin! Not.

Ein paar von seinen Freunden fand ich echt nett, die anderen….naja. Aber irgendwie wurden die Geschichten über….“in die war ich mal verknallt, mit der hab ich mal rumgeknutscht“, immer mehr. Und umso mehr ging mein Mäuschen-Ich in den Grübelmodus.

Das ging so eine ganze Weile, und war auch nicht alles schlecht. Aber die Ex-Situation ließ mich nicht los. Und meine mangelnde Integration in den Freundeskreis wurde gern bemängelt. Was mich noch unsicherer machte, natürlich. Spirale der Unsicherheit.

Er tat aber einiges dazu, um mein angekratztes (naja, seien wir ehrlich) mein nahezu totgeschundenes Ego weiter anzustacheln.

Wenn ich also zum Valentinstags-Date meine neuen Stiefel trug, fiel ihm als erstes ein, dass seine EX die bestimmt auch gern hätte – die seien ja zum Schnüren und würden auch auf ihre nicht-ganz-schlanken-Beinchen passen. Nicht hilfreich für die Stimmung, kann ich euch sagen.

Es kulminierte dann in so großartigen Momenten wie dem Camping-Urlaub, in dem er in einem (für mich) romantischen Moment anfing zu heulen.

Eh…….was jetzt?

Er wüsste nicht, ob er mich liebe. Ob er mit mir zusammen sein wolle. Er überlege noch, ob er nicht jemand anderen noch liebe. NOCH? Doch die EX?

Nein, nein, die auf keinen Fall. Eher die, die er kurzzeitig danach mal kennengelernt hatte.

Moment, du hast in den drei Monaten zwischen Ex und mir mal wen kennengelernt und trauerst der jetzt noch nach? Wir waren mittlerweile ein gutes Jahr zusammen.

Da saß ich nun, in einem kalten Zelt in Schweden und lag literally auf dem harten Boden der Tatsachen mit diesem Häufchen Elend.

Er schluchzte vor sich hin.

Harter Tobak. Ich hatte mir das mit dem Campen irgendwie romantischer vorgestellt. Er hatte mich auch hart überreden müssen dazu.

Ich weiß nicht mal mehr, wie wir das in dem Moment zusammengerauft haben, diesen Scherbenhaufen in der schwedischen Pampa.

Irgendwie ging es. Und irgendwie wollte ich das so unbedingt am Laufen halten. Obwohl ich nach der Nummer natürlich erst recht so richtig am Arsch war.

Fast forward ein paar Monate. Er hält mir Vorträge darüber, dass er ja nur mit seiner Ex und mir im Bett gewesen sei bisher. Und? Das ist meine Schuld? Er hätte das Gefühl, noch Erfahrungen sammeln zu wollen. Bitte, sage ich, mach. Aber ich bin dann weg.

So richtig explizit hat er die Frage nie gestellt und ich es auch nicht gesagt, aber die Fronten waren irgendwie klar. Weiß nicht, ob ich das heute könnte, vielleicht – aber nicht nach andertalb Jahren Drama. Davor müsste ich mal das Gefühl gehabt haben, etwas Echtes gehabt zu haben.

Dann kriege ich eine Nachricht von einer seiner guten Freundinnen. In die er mal verknallt war, aber tut ja nichts zur Sache. Ich fand sie bis dahin ein bisschen oberflächlich, fake und tussig – aber DEN Gefallen werde ich ihr nie vergessen.

Sie wolle mich nur darauf hinweisen, dass er sich noch mit anderen Frauen treffe, die er auf StudiVZ aufreiße. Ja, StudiVZ – falls ihr jung seid, das war das Facebook, bevor es Facebook gab.

PANIK! PANIK! Jetzt kann mir jeder vernünftige Mensch sagen, dass das unausweichlich war, aber mein mittlerweile 21-jähriges Ich war am Boden zerstört. Hab wohl tagelang die Wohnung nicht verlassen und mich nur von Zigaretten ernährt. Meine Studentenbude hat echt gelitten unter mir, kann ich euch sagen. Und nein, ich hätte das nicht von jedem geglaubt, aber eine gute Freundin? Die muss doch einen Grund haben?

Was tun? Ich versuchte erstmal das Naheliegende, mit ihm reden. Und er wurde verdammt nervös, als ich die Anschuldigung vorbrachte. Nein, nein, da sei nichts. Wie sie denn darauf käme? Großes Gestotter, hin und her….blabla.

DAS war die am wenigsten schuldige Entschuldigung, die ich je gehört habe. Not. Ich wusste also, dass da was dran ist. Seien wir ehrlich, dass war mir eigentlich schon vorher klar. Verstand hab ich ja. Ich nutze ihn nur nicht immer.

Ich verlangte also, seine StudiVZ-Nachrichten zu sehen. Gibste mir halt dein Passwort und beweist es, dann weiß ich Bescheid. Nein, nein, das ginge nicht. Also DAS ist privat. Ich weiß die fadenscheinige Ausrede nicht mehr, aber laberte ne Stunde vor sich hin, um das zu erklären.

Ist gut, sagte ich. Dann hast du wohl Recht, sie hat da was falsch verstanden.

Sein Passwort zu verlangen, war schon abgefuckt von mir. Muss ich sagen. Wenn man an den Punkt kommt, ist es wohl dringen Zeit, die Reißleine zu ziehen.

Aber ihr wisst, was mein Mitte-30-Ich so mitmacht, da könnt ihr ja sicher sein, dass ich sie nicht gezogen habe. Ich brauchte die Gewissheit. Dass der einzige Mann, der bis dahin mit mir zusammen sein wollte, mich wirklich benutzt hat.

Die Frage war nur, wie machen? Keiner meiner größten Momente, muss ich sagen. Aber wenn wir bei Ehrlichkeit sind, werde ich wohl auch dieses absolute Tief meiner Beziehungs-Karriere ansprechen. Um es nochmal zu betonen, das war meine ERSTE Beziehung.

Er war zwar ein paar Jahre älter als ich und fing damals an zu arbeiten, aber wohnte noch zu Hause. Ich hatte meine eigene kleine Bude. Er war also viel bei mir und nutzte auch meinen Computer.

Und der hatte in seiner neuesten Version einen Keylogger installiert.

Boah, ja ich weiß, GANZ tief gesunken.

Eines der tiefsten Tiefs in der glorreichen Geschichte meiner Tiefs. Und die gingen sehr tief.

Ich blicke darauf zurück und weiß, dass mein Mäuschen-Ich nicht anders handeln konnte. Und er konnte es wohl auch nicht. Also, weiter mit der Reisegruppe.

Ich spähte damit sein Passwort aus, für das besagte Facebook für Arme und Alte.

Und was fand ich? Dass er irgendwelche Frauen angeschrieben hatte, wenn er auf Geschäftsreise war. Und sich mindestens mit einer getroffen hatte. Erstaunlicherweise war das ein Abend gewesen, an dem ich ein schlechtes Gefühl hatte. Er war sonst eine Labertasche. Aber an dem Abend war er kurz angebunden gewesen, jaja, alles gut, nene, nichts mehr vor heute. Da hatte er sich mit wem getroffen.

Intuition is a bitch.

Und was fand ich noch? Seinen Account auf der schönen Webseite Poppen.de. Das wäre jetzt noch nicht eindeutig genug gewesen, wenn er nur hätte gucken wollen. So verklemmt war ich selbst damals nicht. Doch hatte er nach Dates gesucht, zum vögeln, wenn er grad in der Gegend um Bremen war. Er war viel unterwegs geschäftlich.

Das reicht dann aber doch.

Beim nächsten Treffen war ich ganz normal zu ihm und als er ging begleitete ich ihn zur Haustür – ein Kuss, ein Schlaf-Gut und ein – „Übrigens, ich weiß, was du getan hast, ich mach jetzt Schluss, bis dann.“ Tür vor der Nase zugeknallt.

Als hätte ich eine Ahnung gehabt, was danach auf mich zukam. Denn ich hatte wahrscheinlich nicht die feine englische Art praktiziert, aber, oh boy, oh boy…….die letzten Wochen waren für mich wahrlich kein Zuckerschlecken gewesen, aber das war erst der Anfang.

Denn der Stalker sollte noch aus weit mehr fallen als aus meinem Schrank.

„You sit there, in your heartache. Waiting for some beautiful boy to save you from your old ways.”

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