Hau den Maulwurf….
Man kriegt aber auch keine Ruhe. Da ist man grade den einen Empathie-Minderbemittelten losgeworden, schon tauchen alte Bekannte wieder aus der Versenkung auf. Kennt ihr das Spiel „Hau den Maulwurf“? Alle paar Sekunden steckt ein kleiner Insektenfresser den Kopf aus dem Sand und man muss mit einem Hammer draufschlagen.
Nun, man gebe mir einen Hammer. Die Irren haben wieder Saison.
Nur bildlich gemeint alles. Ich würde niemals einen Maulwurf schlagen und auch bestimmt niemanden, der psychisch krank ist. Also, aktuell. Damals hätte ich das vielleicht schon getan.
Vier Jahre ist es jetzt her, dass der Herr seinen Hut genommen hat. Kein Wunder, er war ja ein professionell Reisender.
Und im Nachhinein ist dieses ganze Münchhausen-Spinnennetz schon fast witzig.
Da muss man nämlich sagen, dass ich nicht nur einmal, sondern mehrmals, angeblich Besuch hatte, von dem ich nichts mitbekam. Der Herr wollte mich nämlich immer so dringend sehen, dass er vor meiner Tür stand und klingelte – und ich nichts hörte, auch wenn ich zuhause war.
Klingel kaputt? Funktionierte komischerweise ansonsten immer. War ich etwa in der Dusche? Haare waschen? Möglich, aber nicht mehrmals. Nicht, wenn ich mich bereits vor Stunden geduscht habe, weil ich ja zur verabredeten Zeit fertig sein will.
Da stand ich nun. Geduscht und gepudert, immer wieder. Rauchte eine Zigarette nach der anderen. Und wartete. Schickte irgendwann die obligatorische „wo bleibst du“ Nachricht?
Das Whatsapp-Problem: Er ist online, antwortet aber nicht.
Er hatte ja keinen Empfang, weil er nur Wlan hatte, keine Sim-Karte – und eben bei mir vor der Tür stand.
Die Ausreden änderten sich auch mal: Ich bin beim Schwarzfahren erwischt worden und die haben die Polizei geholt, dann gab es Probleme mit meinem Aufenthaltstitel. Mmmh. Und da hattest du dann zuhause kein Wlan, um mal kurz zu schreiben?
Wie heißt das heutzutage, wenn man Leute so fertig macht, dass sie an ihrem eigenen Verstand zweifeln?
Nun, wenn ich ihm auch heute noch eins abnehme, dann seine chronische Krankheit, die jede Grippe lebensgefährlich macht. Vielleicht ist auch das noch zu naiv. Vielleicht hätte ich ihm damals auch geglaubt, dass er vom Planeten der Gegenteile kommt, wo jedes noch so respektlose Verhalten eigentlich Zuneigung ausdrückt.
So hatte ich denn dem großen Reisenden im Winter vor vier Jahren 300 Euro überwiesen, da er keinen Cent Geld mehr hatte und irgendwo in Osteuropa gestrandet war.
Zudem hatte er Fieber und zeltete gerade mit einer Gruppe Roma im Nirgendwo. Ein richtiges Zimmer und einen Arztbesuch konnte er sich nicht leisten, angeblich.
Also bot ich ihm an, ihm Geld zu leihen, damit er sich eine gescheite Bleibe mieten und zurück nach Berlin kommen kann.
Er kam zurück, gesundete – Krankenbesuche in seiner WG wollte er auf keinen Fall. Ob er sich für die WG schämte, für mich vor der WG oder er da einfach ne andere Tussi in der WG hatte – weiß ich bis heute nicht.
Danach folgte die Nummer mit der kaputten Klingel. Dem Schwarzfahren. Manchmal klappten die Besuche auch. Dann erzählte er plötzlich von der Möglichkeit für ein großes Geschäft in Costa Rica – und andere unfassbare Geschichten.
Nichts Konkretes. Wieder keine Nachrichten lesen können. Wieder an der Tür geklingelt.
Eines Morgens dann die Nachricht, er sitze jetzt im Bus nach Nirgendwo.
Danach meldete er sich alle paar Monate oder ein Mal im Jahr. Er wolle mich ja immer noch unbedingt sehen. Es war doch alles soooo besonders. Meine Antwort war stets: Wo ist mein Geld?
Ich hab keins, ich kann ja so kaum überleben. Mmmh.
Vor einiger Zeit postet mal jemand auf seiner FB-Seite, dass der Herr ihm Geld schule. Nein, es ist keine Frau. Aber man sieht da ein Muster. So kann man auch ohne Job auf Reisen überleben.
Vor einigen Tagen dann, an seinem runden Geburtstag, die Nachricht: Ich bin bald in Berlin.
„Aww, willst du mir mein Geld persönlich bringen?“
Ein Foto von einem Bündel Geld.
Ich bleibe skeptisch.
Und lege mir vielleicht doch einen Hammer zu.
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