Schrödingers Beziehung

Dem Schrödinger seine Katze. Kennt ihr, ne? Die Katze ist in der Box. In einer Box mit einem sehr gefährlichen Ding, was sie langsam tötet. Warum sie da drin ist? Weil es eine KATZE ist. Die quetschen sich in jede noch so gefährliche Box. Also woher weißt du, ob sie schon gestorben ist?

Weißt du erst, wenn du reinguckst. Bis dahin wäre sie in der Theorie sowohl tot als auch lebendig.

Was das alles mit dem Thema zu tun hat, hast du gefragt?

Nun, weil mein Beziehungsstatus Schrödingers Katze ist.

Eine Maine Coon vielleicht? Mein Kater (der Katzengott hab ihn selig) war ein Britisch Kurzhaar.

Nennen wir den Kater Erwin.

Der Narzisst hätte den Kater gern da, wo er ist. Im dunklen Karton. Denn das hat viele Vorteile: Er kann je nach seiner Laune (und davon hat er reichlich) so tun, als wäre Erwin schon tot. Oder als lebte er noch und würde Futter und Zuwendung verlangen.

Ich war nämlich wirklich erfreut, dass der Narzisst mich kürzlich nach dem Eingriff beim Schönheitschirurgen abgeholt hat. Dann ist er ja sowieso – wenn er mal da ist – sehr nett und auch anschmiegsam. Nach dem Eingriff fragt er viel, wie es mir geht.

Und wenn er mal da ist bleibt es nicht beim Akt und dann bisschen kuscheln. Nein, er bleibt, er kuschelt, er redet – wir sitzen Sonntag den halben Tag und Netflix-kuscheln.

Wie eine Freundin letztens sagte: Naja, so macht man das in einer Beziehung. Jaein.

Schon irgendwie – aber sollte da nicht auch mehr bei rum kommen?

Der Witz ist doch, wenn es mir schlecht geht und er hat grad Laune, ist er nett und kümmert sich. Die meiste Zeit über hat er keine Laune und wenn ich ihn dann um emotionalen Beistand bitte, lässt er mich schmoren oder wirft mir Klammern vor.

Wenn er gerade einen schlechten Tag auf der Arbeit hatte oder schlecht geschlafen hat, kein Problem – dann weiß er plötzlich auch wieder, wie telefonieren geht.

Nein, er muss nicht ständig Gewehr bei Fuß stehen. Ich weiß aber gar nicht mehr, wie das in den letzten Wochen so kam.

Wir trafen uns, es war schön usw. Er bot an, ein Auto zu mieten um mich anderthalb Wochen später abzuholen.

Das Wochenende danach fragte ich, ob er Zeit hätte, sich zu treffen. Er sagte, er sei zu müde und kaputt.

Ich dachte halt, es könnte mir nach dem Eingriff erstmal eine ganze Weile nicht so gut gehen – sodass ich davon ausging, dass das die letzte Chance sei für ein paar Wochen.

Was ich nicht wusste: Dass es mir zwar ok gehen würde, aber wir uns trotzdem nicht sehen würden.

Am ersten Wochenende danach bin ich sauer – am Tag zuvor hat eine Ärztin, die bei mir im Haus wohnt gesagt, es gäbe eventuell ein spontanes Impfangebot in ihrem Krankenhaus aufgrund übrig gebliebener Dosen. Nun, ich ließ es ihn wissen. Auch, weil seine nicht mehr ganz jungen Eltern hier wohnen.

Stellte sich raus, dass die Nachbarin vorschnell war und die Dosen doch nur an Mitarbeiter vergeben würden. Weiß der Geier, wieso ihr nicht vorher klar war, dass noch nicht alle impfwilligen Mitarbeiter geimpft sind. Egal. Ich meinte es auf jeden Fall gut, weil ich wusste, dass er sich impfen lassen wollte.

Weil es doch nichts wurde, machte er sich mit so „Fake News“ Sprüchen über mich lustig. Jaaaa – nicht witzig. Ich bin zwar irgendwo müde geworden in meinem Beruf als Journalistin – ich verdiene mein Brot, ich werde aber niemals groß rauskommen oder einen Skandal aufdecken etc. Aber ich nehme diesen Job schon ernst. Außerdem, wtf, wenn ich jemandem einen Gefallen tun will, sag doch einfach: Schade, aber danke. So haben jedenfalls meine Freunde reagiert.

Seine Enttäuschung an mir abzuarbeiten – das entspricht ihm wieder sehr.

Nun, ich war sauer und sagte ihm das auch. Er ignorierte meine Beschwerden und meldete sich Tage später als sei nichts gewesen. Ok.

Wochenende drauf ist Ostern. Ich schreibe eine freundliche Nachricht und sage nur für den Fall, dass wir uns Ostern sehen – ob er dann dies und jenes machen wolle? Ohne, dass wir uns jetzt sehen müssten – nur für den Fall.

Ich versuche also kundzutun, dass ich ihn gern sehen würde und ihn daran zu erinnern, was wir immer mal machen wollten. Ohne gleich Druck zu machen, indem ich einen Tag vorschlage oder so. Planen und festlegen ist ja nicht.

Gut. Ostersamstag schlägt er vor, zu telefonieren. Das tun wir. Nene, sagt er, heute würde sein Kumpel können, es sei endlich das gute Koks verfügbar.

Er wisse ja, dass ich ihn am liebsten Donnerstag oder Freitag schon gesehen hätte?

Ich so: Whoa, da weißt du mehr als ich. Ehrlich gesagt war ich von Donnerstag oder Freitag niemals ausgegangen, hatte das auch nie erwähnt. Donnerstag war ich selbst noch arbeiten und auch mal müde, Freitag mit einem Freund laaange spazieren und – auch müde.

War jetzt also die beiden Tage nicht gerade böse drum. Wie auch immer, ich sagte, es verletze mich schon, dass er heute Abend lieber koksen wolle als mit mir zu schlafen.

WAAS? Also das sei ja jetzt sehr hart formuliert, so sei das ja überhaupt nicht. Der Kumpel hätte halt gefragt. Ah ja, aber wenn ich frage, will er auch lieber nichts ausmachen, weil es könnte ja was Besseres kommen. Das würde er auch so nie sagen. Aber er würde sich nicht festlegen wollen, weil er weiß, dass ich Verabredungen ernst nehme.

Warum will er sich nicht festlegen? Genau, weil ja was passieren könnte, wo er mehr Bock drauf hat – KOKS. Nur zum Beispiel jetzt. Ich werde das demnächst mal versuchen zu besprechen und er wird den Spieß umdrehen und mir sagen ich bin verrückt, unlocker, drogenfeindlich und überhaupt, zu angepasst, weil Alkohol ist viel schlimmer etc.

Ich bin total für eine Liberalisierung der Drogen. Alles freigeben, alles besteuern (Und mein Gehalt gern weniger besteuern, danke).

Und ich trinke auch gern mal einen. Hab aber noch nie eine Verabredung abgesagt deswegen. Wenn er sein Koks genau wie Alkohol jeden Abend haben könnte, würde er sich dann lieber mit dem Kumpel treffen als mit mir? Ich bezweifle das. (Der Kumpel arbeitet mittlerweile bei ihm um die Ecke und kommt öfter mal vorbei – aber er hat halt nicht immer Koks dabei).

Nun, ich will nicht wieder auf den Drogen rumreiten. Es geht mir gar nicht so sehr um das, was er mit seinem Körper macht. Seine Sache. Die andere Sache ist, dass ich ihn nach drei Wochen gern mal gesehen hätte.

Und das finde ich nicht anhänglich oder irgendwie total irre von mir. So stellt er mich aber gern da.

Sobald das Wort „koksen“ fiel war ja außerdem klar, dass er auch am Ostersonntag und Montag zu kaputt sein würde, um das Haus zu verlassen. „Das Wochenende ist ja noch lang“, sagte er und ich hörte mich innerlich lachen.

Mittlerweile hatte ich ihn also seit vier Wochen nicht gesehen und dann schrieb er letzte Woche Samstag nachmittags, wohl pünktlich zu seinem Feierabend, er würde jetzt mit dem Ketamin loslegen.

Toll, dann hast du ja wohl wieder keine Lust, dich zu treffen – denke ich.

Ich schäume innerlich vor Wut und Enttäuschung (ich weiß, dass das auch dumm ist) und ignoriere ihn kurz. Bisschen zentrieren. Weiter Sport machen.

Dann schreibe ich ihm und wünsche viel Spaß.

Ich war ganz stolz auf mich. Kurzfristig jedenfalls. Denn am nächsten Tag platzte mir doch der Kragen.

Der Status unserer Beziehung ist nämlich immer so, wie es ihm gerade passt.

Der Kater hat was Besseres verdient. Es wurde Zeit, in die Box zu gucken.

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