Schuld und Sühne, auf Knien

Man kann auch was mit Vorgesetzten haben, ohne gleich bei der Bild zu arbeiten – eh, also in der Zwangsprostitution. Schön wär’s, wenn man Frauen einfach mehr zutrauen würde.

Ich habe ernsthaft die Tage von Julian Reichelt geträumt. Nicht, weil ich so scharf auf den bin, sondern weil mich der Fall einfach sehr interessiert hat. Als Frau, als Journalistin, als Fach-Redakteuse in einer Männerbranche – und als ehemalige Volontärin, die etwas mit einem Redakteur hatte.

Ob ich mich ausgenutzt gefühlt hätte, fragte mich dieser Redakteur A.D. nun.

Nein.

Nicht alle Frauen werden in solchen Situation benutzt. Aber warum benutzt man und lässt sich benutzen?

Damals fand ich es eher amüsant, dass dieser 22 Jahre ältere Mann so offensichtlich auf mich stand. Aber ich hatte zunächst nicht mal im Ansatz erwogen, dass daraus auch was werden könnte.

Wir verbrachten eine Menge Raucherpausen zusammen (auch mit anderen Menschen) und ich fand es nett, jemanden zu haben, der gefühlt auf meine Seite stand.

Das Volontariat bei der Zeitung wäre wahrscheinlich in jedem Fall anstrengend gewesen und ich trennte mich währenddessen von meinem Freund.

Aber bei mir kam dann auch noch diese Unannehmlichkeit dazu, dass mein Exfreund anfing, mich zu stalken.

Die Geschichte vom Stalker, der ja auch mal einfach morgens in der Redaktion stand, mit einem Büschel Pflanzen in der Hand, wirr vor sich her redend, habe ich hier schon erzählt.

Ich begann, mit dem Redakteur darüber zu reden – der mir die Schulter zum Ausweinen und den Mentor machte. Am Ende verdankte ich ihm auch, dass ich es überhaupt über mich brachte, den Stalker anzuzeigen.

Dass ich dann also in eine Art von Beziehung mit dem Redakteur hineinschlitterte, hatte viele Gründe. Macht und Druck waren keine davon.

Wenn ich heutzutage Männer in dem Alter sehe, die Frauen Anfang 20 hinterherstellen, finde ich es hochnotpeinlich.

Aber was soll ich sagen? Er hatte Erfolg.

Und er war zwar Redakteur in einer leitenden Position, aber nicht DER Chefredakteur. Ich hatte mir nie irgendeinen Vorteil von der Sache versprochen, eher Nachteile befürchtet.

Was er mir heute noch vorwerfen würde – so denke ich – ist, dass ich zu der Geschichte auf der Arbeit nie stehen wollte. Ich wollte das absolut getrennt von der Redaktion halten und auch nicht von den Kollegen gesehen werden.

Die Kollegen zerrissen sich wahrscheinlich sowieso schon das Maul und vermuteten Dinge.

Die Zeiten haben sich geändert: Heute würde man ihn wohl verurteilen, als hochnotpeinlich auf der einen Seite, als älteren Mann in einer Machtposition auf der anderen Seite – ganz egal, wie die Realität denn nun war.

In diesem Fall kann ich aber von Machtmissbrauch nicht reden. Ob man das peinlich findet, oder großartig von ihm, eine so junge Frau abzuschleppen, liegt im Auge des Betrachters.

Wahr ist und bleibt aber auch: An der Frau bleibt es IMMER (noch) hängen.

Mir hat es auf der Arbeit nie einen Vorteil eingebracht, weil wir zwar irgendwie zusammenarbeiteten, aber er nicht mein Boss war und auch keine Personalverantwortung hatte. Ist also nicht so, als hätte ich gedacht, yea, da springt jetzt ne‘ Redakteursstelle dabei raus.

Hätte ich mir jahrelang den Arsch aufgerissen bei der Zeitung, 10- und 12-Stunden-Dienste für einen Hungerlohn minus Spritkosten, also quasi für die Erfahrung allein, gemacht – um dann als „die Tussi, die sich hier reingeschlafen hat“ – bezeichnet zu werden…..ich hätte mir sowas von in den Allerwertesten gebissen.

Das ist einfach die Gefahr, der ER sich nie aussetzen musste. Der Kopf, der normalerweise auf dem Spiel steht, ist da sehr selten der, an dem ein Penis hängt.

Und nein, ich will jetzt nicht sagen, dass es nicht bestimmt auch Frauen gibt, die usw…..

Gibt es. Es laufen auch Frauen in Redaktionen rum und freuen sich, wenn der Chefredakteur sie angräbt und sie schnell Karriere machen. Oder sie ihn angraben.

Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass ich darauf eingegangen wäre, hätte mich der Chefredakteur mit klarer Absicht zum Essen eingeladen.

Bei Reichelt habe ich jetzt immer „nur“ von Praktikantinnen und Volontärinnen gehört. Als jemand, der das Handwerk klassisch gelernt hat und es ganz anders versteht als die Bild-Zeitung (stark untertrieben jetzt, aber ihr wisst schon, hoffe ich) – ist mir eh nicht ganz klar, was man da will.

Welcher junge Mensch denkt sich, geil, da will ich hin! Vor allem eine Frau? Angst, Hass, Titten und der Wetterbericht, das ist halt das Geschäft.

Aber ich würde annehmen, dass die Person, die dahin kommt, eine Portion Heldenverehrung für so einen wie Reichelt im Gepäck hat.

Und auch mit, gelinde gesagt, Moralvorstellungen, die sich stark von meinen unterscheiden.

Ein Volontariat ist nie leicht zu bekommen, auch und wahrscheinlich gerade bei der Bild nicht. Das dann hinzuschmeißen, wenn man sich erstmal durch tausend Auswahlverfahren gekämpft hat, weil man aufrecht stehend nicht weiterkommt? Bitter.

Ich möchte nicht mit Steinen schmeißen auf jemanden, der sich an dieser Stelle hinkniet.

Auf der einen Seite will sich ein Teil von mir rühmen und sagen: Aber ich hab das ja nie getan. Stimmt, hab ich auch nicht.

Die Entscheidung zwischen Job oder Prostitution musste ich aber auch nie treffen. Und niemand sollte das müssen.

Wenn Reichelt so ein geiler Hecht wäre, könnte er die 20-Jährigen auch außerhalb der Arbeit finden. Turns out, wahrscheinlich nicht. Denn die Akzeptanz für so jemanden, nimmt außerhalb der Angst-Hass-Titten-Zeitschrift dann doch rapide ab. Dann ist er nur noch ein middle-aged Dude, der sich lächerlich macht.

Und DESWEGEN bleibt es ein toxisches Muster. Weil er nicht anders kann, als sich an Leute zu wenden, die von ihm abhängig sind. Und diese Macht gerne ausnutzt.

Nein, Frauen sind nicht unmündig. Aber die meisten Frauen in dem Alter, sind schnell zu beeindrucken. Oder unter Druck zu setzen.

Beziehungen, Affären und alles inbetween auf der Arbeit sind meist nicht die beste Idee, aber man wird es den Leuten nicht komplett ausreden können.

Ich hoffe einfach, dass die nächste Generation für so einen Typen nicht mehr Männchen machen wird.

Wenn du mit jemandem schlafen willst, bitte, go for it. Besser nicht auf der Arbeit, aber go for it.

Wenn du Karriere machen willst, bitte – aber besser mit deinen anderen Qualitäten und nicht in Hündchenstellung.

Wenn das nicht geht – dann ist es nicht deine Schuld.

1 Comment

  • Ich weiß um ehrlich zu sein nie genau, wie der Vorteil zugunsten der Frau (oder pauschaler ausgedrückt: Der Person, mit einem geringererem Einfluss) tatsächlich aussehen sollte. Ich habe noch nie davon gehört, dass jemand sich für Sex o.ä. hergegeben hat, um bewusst die Karriereleiter aufzusteigen. Wenn der Chef mich schon knattern kann, wieso sollte er mich dann auch noch befördern und mich quasi damit aus dem Ungleichgewicht heraus befördern, dass ja evtl. sogar überhaupt erst dazu geführt hat? Und selbst wenn das passieren sollte, ist man doch als Frau nicht wirklich frei, sondern genauso schnell wieder weg vom Fenster, wenn der große Zampano das Interesse verliert.
    Charmant sein, sozial kompetent sein Ja. Doch sobald gebimst wird, ist doch eh keine Augenhöhe mehr vorhanden. Deshalb glaube ich persönlich, dass Frauen viel zu oft vorgeworfen wird, sich hochgeschlafen zu haben, dabei verfügen manche halt einfach mehr über einen gewissen Esprit als andere.

Leave a Reply