Egal, egaler – Marla

Was ist der Superlativ von egal? Es könnte mir egaler nicht sein? Was ist noch egaler? Genau, ich – Marla.

Es ist ihm nicht egal, sagt der Mann. Nun, entscheidet für euch selbst. Wo hatte ich aufgehört?

Wir hatten ein ganz gutes Gespräch, ich hatte Hoffnung geschöpft. Missachtung ist die schlimmste Strafe, sagte ich ihm – das könne nicht mehr vorkommen. Und wenn ich jetzt sage, ja gut, lass es uns wieder probieren – wie verhindern wir, dass du das wieder machst? Er sagte, er konnte sich selbst nicht helfen in dieser Situation.

Wenn es wieder passiert, dann schicke ich ihm eine Nachricht und blockiere ihn dann auf allen Kanälen. Ich denke nicht, dass er es so beenden wollen würde, sage ich ihm.

Nun gut, ich litt nach dem Gespräch also eine weitere Woche still vor mich hin und organisiere mich ohne ihn. Wenn, dann schreibe ich uplifting messages, also versuche es zumindest – hoffe du kannst besser schlafe, viel Glück für den Tag etc.

Samstag frage ich, wie er geschlafen hat und wie die Woche war. Irgendwann mittags. Er antwortet abends, dass er gestern noch bis spät gearbeitet habe und heute auch noch, aber morgen sehe er mich ja endlich!

Moment, was? Ich warte die ganze Woche auf Antwort und weiß nicht wohin mit mir und morgen sehen wir uns endlich? Was hab ich verpasst?

Ich wüsste davon nichts, kein Vorwurf oder so – aber wann genau hätten wir das besprochen, frage ich ihn? Na letztes Wochenende, antwortetet er.

Ehhhh,,,,,, ok. Ich sage na gut, dann morgen, aber ich wolle noch zum Abschiedspicknick von meinem Chef, der habe eingeladen, weil er zieht um. (Mein Chef war früher mein liebster und einziger Kollege, ist nicht halb so schlimm wie sich das anhört).

Der Mann macht immer großes Gewese darum, dass er mich ja in sein Leben integriere. Ich sage also, er könne ja mitkommen zum Picknick.

Am Sonntag schreibt er dann, er würde auch mitkommen und ob wir uns nicht vorher dann treffen wollten? Ja klar, sage ich – auch wenn ich weiß, dann müsste ich mich beim sonntagmittäglichen Frühstück und mit allem anderen beeilen. Ich rufe den Mann an, er sagt er könne grad nicht.

Ok, aber was ist der Plan? Frage ich, da ist noch mittags – um 15 Uhr spätestens soll ich am Tempelhofer Feld sein, dahin fahre ich eine Stunde. Wenn wir uns also vorher treffen wollen, muss ich  bald los.

Ich mache mich also fix fertig und warte. Was passiert? Nichts und wieder nichts. Er sei im Bad noch, schrieb er vorher – ok, aber was machst du da? Ich hab mich in der Zwischenzeit rasiert, geduscht, geschminkt, meine Klamotten gebügelt.

Der Plan sei, mich sehen, schreibt er dann. Er vermeidet alle Antworten dazu, ob ich noch zu ihm kommen solle oder ähnliches – man könne doch jetzt das Beste draus machen?

Ich ahne Schlimmes, aber mache mich dann auf und gurke eine Stunde zum Tempelhofer Feld. Er kreuzt auf, wir gehen zum Treffpunkt, ja ok. Er, der Extrovertierte von uns, scheint wenig daran interessiert, mit irgendwem zu reden. Ok, wir setzen uns hin und essen ein paar Happen.

Wir reden ein bisschen. Den Spieleabend (zu dem ich sonst auch gekommen bin), den habe er jetzt wegen XY auf Dienstag verlegt. Aha, wer ist XY, sage ich? Weil du weißt doch, dass ich Dienstag keine Zeit habe? Ist der jetzt für immer verlegt? Ja der Dings, der könne halt nicht anders, sagt er.

Ok, sage ich und hole mir noch ein Radler. Ich frage nochmal nach, warum er das jetzt verlegt wegen irgendwem, auf einen Tag, an dem er weiß, dass ich keine Zeit habe. Jaja, sagt er – das sei doch nur für diese Woche.

Achso. Letzte Woche meinte er noch, ja Montag ist der Spieleabend, da könne ich auch wieder kommen. Gut, wir haben es geklärt, es ist nicht für alle Zeit verlegt. Er schlägt vor, es auf einen anderen Tag zu legen, an dem Dings und ich beide Zeit haben? Ja, das wäre doch möglich, sage ich.

Kommunikationstechnisch ist das ein Fortschritt, denke ich – wir reden drüber und räumen die Missverständnisse auf. Nach dem zweiten Radler gehe ich mal für Königstiger, komme zurück – er begrüßt mich und sagt, er will gehen. Gut zwei Stunden hat er es ausgehalten.

Mir sackt mal wieder komplett der Kreislauf weg, ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Tue mein Möglichstes, um nicht sofort vor der versammelten Mannschaft und Chef in Tränen auszubrechen (wobei der mich in der Ewigkeit der Bürogemeinschaft auch schon weinen gesehen hat).

Wir verabschieden uns fix und er bringt mich zur Bahn. Ich kaufe erstmal Zigaretten, meine Krücke, um nicht komplett die Fassung zu verlieren.

Wir setzen uns kurz auf eine Bank. Er sei jetzt halt müde und erschöpft, habe nicht die Energie, um mit irgendwem da zu reden. Das habe absolut nichts mit mir zu tun, warum ich das immer auf mich beziehen müsse?

Keine Ahnung, weil wir uns seit Wochen so gut wie gar nicht gesehen haben und auch keine Zweisamkeit hatten, geschweige denn Sex? Und nein, Sex ist nicht das Wichtigste, aber wenigstens mal wieder ein bisschen Zeit allein zu zweit, einen Film gucken, kuscheln?

Das wäre dringend nötig, um die Risse der letzten Wochen wieder zu kitten, hatte ich ihm schon letzte Woche gesagt. Dass er wenig Zeit hat und kaputt ist, klar, das ist halt so – aber ein bisschen, ein klein wenig Anstrengung? Zumindest hätte ich, wenn ich es vorher gewusst hätte, dass seine Zeit und Energie so begrenzt sind, anders geplant. Ich wäre für ein, zwei Stunden zu dem Picknick gegangen und hätte mich danach mit ihm getroffen. Wenigstens allein für zwei Stunden dann, was essen, reden. Aber für anders planen hätte man halt überhaupt planen müssen.

Aber nein, den Unterschied von diesem Disaster zu Qualitätszeit zu zweit sieht er nicht. Das sei ein Rückschritt gewesen, während ich nach dem Gespräch zuvor dachte, wir würden jetzt Fortschritte machen, sage ich ihm.

Auf Vorwürfe habe er keinen Bock, sagt er. Ich könne ihm ja später schreiben und wenn er sich ausgeruht hat, könne er die Woche planen. Dann könnten wir etwas ausmachen.

Das müsse von ihm kommen, sage ich ihm. Wahrscheinlich war auch das zu viel Druck, aber was soll ich tun? Wenn ich mich melde, geht er ins Schneckenhaus, wenn ich sage, es muss von ihm kommen, dann auch?

Wir verabschieden uns und ich gehe am Ende am Sonntagabend noch nett essen. Ich bin jedoch wieder im Status der absoluten emotionalen Auflösung, kann nicht schlafen usw. Da waren wir schon, also ich.

Am Montag halte ich es nicht mehr aus und mache wieder alles falsch, was ich falsch machen könnte. Ich schreibe ihm und frage, ob er an meiner Stelle nicht enttäuscht wäre, wenn ich nach so vielen Wochen immer noch das Alleinsein mit mir, die Nähe meiden würde?

Und ich schicke ihm einen Hinweis auf das Thema Bindungstypen, weil ich glaube, dass da bei uns das Kaninchen im Pfeffer liegt. Ich fühle mich ständig ungewollt, kann mir nicht helfen, versuche krampfhaft, es hinzubiegen, das drängt ihn immer weiter weg. Und so kommt man dann wieder dahin, wo wir jetzt sind: Zum Ignorieren.

Habe ich gewusst, dass er mich danach wieder ignorieren würde? Ja. Konnte ich mir helfen und es nicht tun? Nein.

Was er wahrscheinlich denkt: Warum macht sie jetzt wieder eine Welle, ich bin doch aufgekreuzt, um sie zu sehen. Wie nervig, immer nur Theater und Vorwürfe. Dann zieht er sich zurück.

Was ich denke: Wir haben doch gesprochen, wir wollen es versuchen, er meinte er wolle versuchen, sich mal einen ganzen Tag freizuschaufeln.

Ok, wenn das nicht geht. Aber das am Sonntag? Er weiß, dass ich außerdem dann in einer Woche in die Heimat fahre und fast drei Wochen weg bin. Reicht ihm das nicht als Anreiz, um mal mit mir Zeit verbringen zu wollen? Nein. Klarer kann nicht sagen, dass er mich eigentlich nicht will.

„Es“ ist ihm nicht nur eher egal, es ist ihm am Egalsten.

Und „Es“, das bin dann ich.

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