Sieben Wochen Achterbahn

Ich liebe Achterbahnen und Karussells. Nur dauern die Fahrten normalerweise 1-2 Minuten. Nicht fast zwei Monate, so wie die, auf der ich gerade fahre. Ich will aussteigen, ich will es nicht – und der Bügel und die Bremsen klemmen.

Die Fahrt beginnt, wo sie immer beginnt, am Boden.

Das Treffen. Er hatte das Wochenende schon voll geplant, ich war baff, dass ich auch am zweiten Wochenende nach dem Streit nicht die Gelegenheit bekommen sollte, ihn zu sehen.

Am Abend rief ich ihn an, das war Mittwoch. Heule rum, ob er verstehen könne, dass ich enttäuscht sei schon wieder? Er wolle nicht, dass ich unglücklich sei – er werde versuchen, das Treffen am Samstag abzusagen. Er wolle, dass ich glücklich sei.

Ok, sage ich – und fühle mich so mittelgut, denn warum muss ich ihn so erpressen? Er will ja anscheinend keine Zeit mit mir verbringen, tut er das jetzt also nur, um ….ja, warum?

Nun gut, ich hake das erstmal ab und gehe schlafen und habe ein bisschen Hoffnung. Die Bahn bewegt sich entspannt nach oben, es geht aufwärts, ich genieße die Aussicht.

Am nächsten Tag kommt dann die Nachricht, er könne das am Samstag nicht absagen. Der Sohn von seinem Kumpel hätte sich schon so darauf gefreut und die hätten extra einen Kindersitz besorgt.

Huch, wie bin ich jetzt von der Achterbahn direkt in den Top Spin geraten? Das hatte ich nicht kommen sehen. Mir wird schlecht.

Aha, denke ich. Er hat wohl nicht gesagt: Hör zu, ich möchte dringend die Beziehung zu dieser Frau retten, wir hatten einen schlimmen Streit, haben uns seit zwei Wochen nicht gesehen, es geht uns beiden sehr schlecht. Es tut mir leid, aber ich kann nicht Samstag.

Er hat wohl eher gesagt, oh können wir verschieben? Marla will was machen. Ich bin also vor seinen Freunden der Arsch.

Ich sage ihm, ich sei sprachlos. Keine Antwort.

Die Achterbahnfahrt geht weiter von Hoffnung zu Enttäuschung und zu Tode betrübt.

Abends telefonieren wir wieder, einigen uns dann doch auf Sonntagabend. Das Gespräch läuft ganz gut, dachte ich – er säuselt mich noch eine halbe Stunde in den Schlaf.

Wieder auf dem aufsteigenden Ast, könnt ihr den Kettenantrieb hören? Es geht nach oben!

Freitagabend erkundigt er sich noch nach meinem Tag, wir schreiben kurz bis Samstagmorgen. Danach lasse ich ihn in Ruhe. Am Sonntag dann bin ich vormittags verabredet und auf dem Weg dahin schreibe ich ihm, Hey, wie geht es dir? Wann hättest du denn heute in etwa Zeit?

Die Verabredung geht zu Ende, die anderen wollen noch etwas essen gehen. Ich sage ab, ich muss ja schließlich noch ein bisschen was erledigen, bis ich abends den Mann treffe.

Ich bin nachmittags zu Hause und wundere mich etwas, noch keine Antwort. Gelesen hat er die Nachricht auch noch nicht. Ich erledige meine Wochenend-Dinge und putze ein wenig.

Langsam ist es früher Abend, ich werde unruhig. Die Bude ist geputzt, ich bin geduscht, rasiert, ich sitze da und warte. Nichts.

Gefühlt hänge ich jetzt fest in einem Free Fall Tower, 60 Meter über dem Boden, mir ist längst speiübel, aber ich komme nicht wieder runter.

Auch am nächsten und am übernächsten Tag – nichts.

Am Mittwochabend schreibe ich ihm, ob wir das jetzt klären wie Erwachsene, die sich respektieren oder ob er Ghosting vorziehe? Und schlage ihm Termine vor. Ich bin recht entschlossen, das jetzt zu beenden. Aber es streitet in mir, denn eigentlich WILL ich es ja nicht beenden, aber er lässt mir keine Wahl.

Er antwortet, ja Freitag könnten wir reden. Gut, Fast Forward zum Freitag, ich sage ihm Uhrzeit und dass er zu mir kommen könne. Mir ist den ganzen Tag schlecht, ich habe Magen- und Kreislaufprobleme , renne wie ein Gespenst durch die Gegend.

Quasi eine Dauerfahrt mit dem Breakdancer (gibt es die eigentlich noch?)

Nichts passiert. Am frühen Abend schreibt er, es wäre wieder so viel los auf der Arbeit und es ginge ihm nicht gut, ob wir das nicht morgen machen könnten?

Erneut sitze ich also wie bestellt und nicht abgeholt, ein begossener Dackel (oder eher Nacktkatze), hier in der geputzten Bude. Das Karussel dreht und dreht sich, immer schneller.

Ob er gefälligst wenigstens anruft, frage ich ihn. Er ruft an, ich sage ihm, dass es das jetzt für mich gewesen sei. Und ich denke, er müsste doch froh sein? Er ist weder froh noch traurig, sondern anscheinend angepisst, weil ich mir ja schon eine Meinung gebildet habe.

Naja, ich hatte viel Zeit in den fast drei Wochen, die du mich hast hängen lassen, mein Guter.

Am Ende beschließen wir, am nächsten Tag doch noch einmal zu reden. Wir treffen uns zwei Stunden auf einen Kaffee, wir wollen es beide noch mal versuchen.

Seine Probleme auf der Arbeit, die nehmen gerade 150% seiner Gehirnleistung ein und das werde nicht sofort weggehen. Ja ok, sage ich – ein paar Prozent werde ich auch ab und zu brauchen, sonst kann das hier nicht funktionieren. Ich brauche jemanden, der mich nicht wegschiebt in einer Krise – sondern Krisen mit mir durchsteht.

Ok, und wann hättest du dann nächstes Wochenende Zeit, frage ich – er meinte soeben, dass es unter der Woche wegen der Arbeit nicht ginge.

Freitag, bietet er an. Wegen Wochenende müsste er gucken. Da müsste er schauen, aber ja es könnte alles besser werden und wir könnten auch mal einen ganzen Tag verbringen.

Die Fahrt macht erstmal Pause, mein Kopf dreht sich noch etwas, aber ich habe wieder etwas Boden unter den Füßen.

Danach gehe ich zu Freunden, biete ihm noch an, dass wir uns abends dann nochmal sehen könnten – einfach mal auf der Couch abhängen und einen Film gucken oder so? Nichts Wildes, aber halt einfach versuchen, die Wunden der letzten Wochen zu reparieren.

Er wolle sich melden, ob das noch ginge – nein, am Ende geht es nicht. Gut, kein Problem sage ich und teile ihm noch mit, dass ich Freitag übrigens keine Zeit habe. Ein anderer Tag wäre also besser.

Dazu sagt er gar nichts. Ich lasse ihn machen.

Die ganze Woche über sage ich nichts, außer ihm ab und an Entspannung, guten Schlaf, etc zu wünschen.

Ich plane mein Wochenende so, als ob es ihn nicht gäbe und als hätte die Frage dazu nie im Raum gestanden.

Natürlich stand ich in dem Moment schon längst mit einem Fuß im nächsten Fahrgeschäft.

Und die nächste Runde geht rückwärts.

Leave a Reply