Heißer Reis der Selbstachtung

Gerade laufe ich panisch mit ca. 700 gr Reis in meinem BH durch die Wohnung. Nein, das ist kein Hipster-Rezept für Risotto. Ich könnte nächste Woche meine Brüste vergrößern lassen. 

Sähe das gut aus? Yea! Wahrscheinlich.

Ist es das wert? Ich weiß es nicht. 

Denn obwohl ich seit 20 Jahren, eigentlich mehr als 20 Jahren, der Meinung bin, dass meine Brüste für meinen Körper einfach zu klein sind – gibt es da auch noch die Stimme der Vernunft in mir.

Oder die Stimme meiner Mutter, oder – krasse Idee, die Stimme des Respekts vor mir selbst. 

Ich habe eine gute, vertrauenswürdige Ärztin gefunden, es gibt eine Option, die mir keinen Baywatch-Busen machen würde, ich habe die Urlaubstage, ich habe das Geld.

Wobei, ca. 6.000 EUR kann man auch besser investieren. Oder einfach versaufen, verreisen…verschnupfen, es gibt viele Möglichkeiten.

Will ich dieses Geld ausgeben, um Schmerzen zu haben, meine Arme nicht heben zu können, wochenlang auf Hilfe angewiesen zu sein, keinen Sport machen zu können (der mir zuletzt stark für die Stimmung geholfen hat), weniger mit Freunden machen zu können, Risiken von Nachblutungen oder sogar (extrem seltenen, aber existierenden) Tumoren in Kauf zu nehmen? 

Könnte ich nicht einfach, naja…..leben? Mit meinem unperfekten Körper, einfach so vor mich hin? So wie Männer das tun? (Ich weiß, das tun auch Frauen und auch Männer haben Probleme mit ihrem Körper und das sind sowieso alles nur Kategorien und Gender is a construct, aber…for the sake of the argument)

ABER….Männer tun das. 

Zuletzt hatte ich jedoch mal wieder so richtig hässliche Erweckungserlebnisse in Bezug auf Männer. Dabei dachte ich, dass meine Meinung sowieso nicht sooo hervorragend war, aber sie haben auch die noch unterboten.

Fall A: Eine zufällige Internetbekanntschaft, mit der ich ab und zu mal geschrieben hatte (rein platonisch) fragt mich, ob er mich mal was fragen könne. 

Klar, sage ich, ich habe keine Berührungsängste. Boy! Was I wrong.

Denn die Frage war, ob er seiner Freundin sagen solle, dass ihre Brüste zu klein sind? Ihm seien Brüste super-wichtig und seine Ex-Frau habe riiiiieeeesige Titten gehabt und NUR B-Cup bei der Freundin, das sei ihm einfach sehr klein.

Ich dagegen, A-Cup bei großer, kräftiger Statur: EEEEEEEHHH? Willst du mich verarschen? 

DAS hat es wahrscheinlich so richtig wieder angestoßen bei mir. 

Und mir ist bewusst, dass das bescheuert ist. Jeder Mann, mit dem ich jemals was hatte, hat logischerweise eine Vorliebe für kleine Brüste. Oder einfach eine Vorliebe für Brüste generell, Größe wurscht. 

Und es gab ja Männer – shocking fact – ich bin keine Jungfrau. 

ABER – aber meine Meinung über die meisten Männer ist ja, dass sie auf alles drauf steigen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. 

Also dass jemand mit dir schlafen will ist kaum ein Kompliment, denn dafür muss man nur einen Puls und ausreichende Körperhygiene haben (Letzteres oft nicht mal nötig, meine Mutter war Krankenschwester und war oft entsetzt darüber, in welchem Zustand sich drogenabhängige Frauen in Not teilweise prostituieren – ja, die haben auch “Kunden”.) 

Die Conclusio ist, ich bin einfach komplett schizo – ich will, dass mir Männer auf der Straße hinterher gucken, mich ansprechen, Cat-Calling, das ganze nervige Gedöns.

Frauen sind jetzt entsetzt und alles, weil wie kann man das wollen? 

Because it never happened to me. Oh ja, ein Mal ist das passiert – als ich in einer ähnlichen Situation wie jetzt einen enormen Push-Up-BH unter einem kurzen Kleid getragen habe. Prompt wurde mir hinterher gehupt.

Ok, vielleicht würde es auch passieren, wenn ich dasselbe Kleid so anziehen würde? Neee. 

Darin sieht man die 1 cm Hubbel am unteren Bauch und meine breiten Hüften und kleinen Brüste. NEVER würde man mich darin einfach so sehen.

Ich bewundere Frauen, die das können, ich sehe es zum Glück immer öfter…und starre dann neidisch hin….wow, sie traut sich, das zu tragen, obwohl man eine Speckrolle sehen kann? …ich kann es leider nicht. 

Und ich glaube trotzdem, dass hinterher hupen eher von den Hupen kommt, wenn ihr versteht. 

Anyhow, ich liebe den Blick in den Spiegel mit dem Reis. Es sieht mega heiß aus. 700 gr Reis sind auch gar nicht so wenig. Wird mein Rücken also weh tun? Werden mir BHs plötzlich unbequem, weil die Träger einschneiden? 

Habe ich am Ende doch mehr “Angst” vor Männern in gewissen Situationen, ein Gefühl, vor dem ich absolut gefeit bin, weil ganz ehrlich, mich schaut halt keiner an? Ok, Groß-Sein hilft da auch, wenn man mich klauen will, muss man sich das gut überlegen.

Würde ich das wirklich “für mich” machen? Finde ich es schön, wenn es gut läuft? Ja. Ich fände das für meinen Körper ästhetisch. Wäre ich 160cm groß, würde mir der Gedanke glaub ich nicht kommen.

Aber ist meine Idee davon, was schön und was proportional ist nicht auch vom gesellschaftlichen Standard gezeichnet? Bis vor einiger Zeit war es in, möglichst dünn zu sein, oder möglichst dünn mit Riesen-Möpsen, dann kam der große Arsch in Mode (Yea), aber auch irgendwie dann nicht der natürliche Arsch sondern der gemachte Arsch und die gemachten Möpse zusammen mit einer schmalen Taille. 

Will ich da wirklich applaudieren? 

“Natürlich schauen da Männer dann mehr drauf, das fällt halt auf, ich will dich ja nicht anlügen”, sagte letztens ein Freund zu mir. Gut, also ziehen die Silikonkissen dann mehr Männer an – wo ich derzeit sagen wir mal keine Auswahl habe.

Mache ich es deswegen? Ein bisschen. Kann ich kaum auseinanderhalten von meinem persönlichen Geschmack. 

….ISMUS

Aus rein feministischer Sicht ist das kompletter Blödsinn, diese OP. Denn am Ende geht es doch immer nur um die verkackten Beauty-Standards der Gesellschaft. 

Oder: “Sei kein Opfer der Gesellschaft”, sagte mir eine Freundin. 

Das ist ein guter Satz, ein wahrer Satz – aber er kommt von jemandem, der selbst schon eine Schönheits-OP hatte. (Und nein, ich finde beides gut und legitim, ich sage nur, es ist alles nicht so einfach).

Für Frauen immer weniger einfach als für Männer leider. Wer hat einen der coolsten Girl-Power-Songst gesungen? 

“I’m just a girl. Don’t you think I know exactly where I stand? This world is forcing me to hold your hand.” 

Habt ihr in letzter Zeit mal Gwen Stefani angeschaut? Not judging, aber….da ist auch ziemlich viel Plastik im Spiel. Erkenntnis und Anwendung sind immer zwei paar Schuhe. 

“Oh I’m just a girl….living in captivity – what I succumb to is making me numb.” 

Kann man sich schönheitsoperien lassen und trotzdem Feminist/in sein? Absolut. Jedem sein Körper, jedem seine Entscheidung. Ich finde es gleichzeitig unterstützenswert, wenn jemand sein Selbstbewusstsein so erhöhen will. Die Frage ist ja eher, warum braucht man das?

DENN: Wenn man es konsequent durchdenkt, sollte es mich eigentlich nicht stören, dass meine Brüste klein sind. Ich bin halt nicht nur ein Stück Fleisch.

“This ain’t build a bitch – you don’t get to pick and choose.” 

Es ist und bleibt meine Entscheidung. Und ja, im Idealfall treffe ich irgendwann jemanden, der mich einfach so super findet, wie ich bin. 

Doch wie ein Freund letztens sagte: Wenn die Optik nicht stimmt, ist man nicht offen dafür.

Dafür = romantische, sexuelle Beziehung. 

Siehe Fall A. Männer (™) sind gewillt, die Chance auf eine Lebenspartnerin wegzuwischen, wenn sie nach ihren Standards nicht hot genug ist. Das ist die Realität. Und es tut mir aus der Ferne weh als jemand, der nie die Chance auf einen Lebenspartner hatte.

Mir ist auch klar, dass die Standards variieren – manche Männer mögen auch Frauen mit sehr viel mehr Körperfülle, aber ich habe noch nie in Betracht gezogen, einfach sehr viel zuzunehmen? Warum, weil die Gesellschaft das stigmatisiert. 

Wenn ich mehr “Bewerber” hätte, würde ich mich dann besser fühlen? Wenn ich mein Selbstbewusstsein in 700 gr Silikon lege und meine Brüste den Raum ein paar Sekunden vor mir betreten? Fuck yea. 

Gleichzeitig bin ich es verdammt leid, mein Leben danach auszurichten, was irgendwelche Clowns attraktiv finden. Auch wenn ich der Clown bin.

Ich zähle Kalorien, ich mache sechs Mal die Woche morgens Sport – und nein, das macht keinen Spaß, das mache ich, um in dieser Gesellschaft als fickbar angesehen zu werden. Harte Wahrheit, aber die Wahrheit.

(Andererseits fühle ich mich aufgrund der kleinen Brüste mehr so, als müsste ich ständig Diät machen, weil wenn die Brüste größer wären, fände ich auch etwas fülliger zu sein nicht schlimm – das würde also mein Leben erleichtern.) 

So einfach leben und es ist einem egal, wie man aussieht? Krass. Ich fange literally an zu weinen, wenn ich das schreibe, weil es so ein unvorstellbarer Wunschtraum ist. 

Diesen wahnsinnigen Druck, die extremen Schuldgefühle, den Selbsthass los zu sein. 

Mein Geld für was anderes auszugeben, meine Zeit und Energie auf was anderes aufzuwenden. Haha, I wish. 

Tja, kein Opfer der Gesellschaft sein. Aber ich bin Teil dieser Gesellschaft. Mache ich mich selbst zum Opfer? 

Die Leute, die mir sagen, pah, scheiß drauf, Männer sollen dich mal und überhaupt, du bist gut wie du bist, die haben leicht reden. 

Die haben nicht jahrelang nur Ablehnung und Einsamkeit erlebt – und daten würden sie mich auch nicht. 

So ist man mit seinen hehren Prinzipien am Ende eben doch: Allein.

Leave a Reply