Reise-Lust: ein Fortsetzungsroman
Zuhause nur Selters, auf Reisen nur Schampus, ist mein Motto. Außer, dass es natürlich um Männer geht, nicht um Getränke. Und, dass mir nicht klar ist, warum das eigentlich so ist.
“Man trifft auf Reisen halt einfach viel mehr Leute” – sagen diese Leute und ja, ist was dran – obwohl sich das bei mir im sehr überschaubaren Rahmen abspielt.
Meine Kommunikationsfreude zu fremden Menschen ist jedoch auf auf Reisen eher eingeschränkt. So trapse ich also seit Wochen durch Australien und Neuseeland und bin die meiste Zeit eher allein, was mir auch oft ganz Recht ist. Allerdings auch nicht permanent Recht ist.
So fand ich mich kürzlich im australischen Brisbane wieder und es war mir fad zumute.
Die Stadt hatte ich eigentlich gar nicht eingeplant.
Zuvor hatte allerdings die liebste AirBnB-Omi der Welt mir in ihrer herrlich quietschenden Stimme zu verstehen gegeben, dass es eine ganz beschissene Idee sei, bei der aktuellen Warnung vor einem Zyklon in den Norden zu fahren.
Sie holte sogar extra noch ihre Landkarte aus Papier aus dem Schrank und meinte nene, da sollte ich lieber überall nicht hin, das hätten sie im Fernsehen gesagt.
Ja lol, und wohin dann? Ihr Rat war Brisbane gewesen, das sei doch hübsch. Ok, gesagt getan – gute 1.000 EUR leichter flog ich also nach Brisbane.
Das ist es auch per se nicht schäbbich, wie man in meiner Heimat sagt, aber die großen Sehenswürdigkeiten sind begrenzt. Was tun also? Ich entschied mich also, das lokale Tinder-Angebot zu durchforsten.
Allerdings zunächst mit relativ wenig Enthusiasmus, denn Tinder ist erfahrungshalber immer für eine Enttäuschung gut. Ich swipte also vor mich hin und hatte relativ fix ein Match mit J., 46, – HOT.
Der Enthusiasmus hielt sich noch in Grenzen. Wir schrieben etwas hin und her, er schlug ein Date am Sonntagabend vor. Gleich zum Essen?
Ich hab zuhause Männer getroffen, die nicht mal ein halbes Getränk leeren und sogleich die Flucht ergreifen…..Essen kommt mir da schon fast wie ein wagemutiger Vorschlag vor.
Ich schmeiße mich also ebenso (naja, nich ganz) wagemutig in ein niedliches Kleid und gehe zum Essen. Allerdings – hot oder nicht ist da egal – mit einem mulmigen Gefühl.
(Im letzten Sommer hatte ich mal ein Tinder-Date im Urlaub, bei dem mir der Typ schon relativ fix an die Wäsche wollte und hinterher mehr als beleidigt war, dass ich ihn nicht mit zu mir nehmen wollte. “Aber hast du denn nicht Angst, allein nach Haus zu gehen?” Na Alter, vielleicht hab ich jetzt Angst vor dir aber.)
Das Erste, das J. sagte war, omg bist du groß! Und ich denke so, ohje, der hat das Kleingedruckte nicht gelesen und ist jetzt enttäuscht.
Prima, denke ich, das hat sich dann ja wahrscheinlich fix erledigt. Wir bestellen Bier, unterhalten uns – ich habe schwere Not, ihn zu verstehen. Er ist kein Australier, sondern Neuseeländer und er murmelt teilweise auch noch.
Ob ich nach dem Essen noch was trinken gehen will, fragt er? Ja aber hallo, sage ich und denke direkt, ohje das wird wohl doch heikel.
Er bezahlt obwohl ich awkward da stehe und bezahlen will für mich selbst. Nene, ich kann ja gleich ein Bier holen? Das ist angenehm unaufgeregt, das mag ich.
Wir stapfen zum nächsten Ort und es ist absolut megasuperschön mit Ausblick auf die beleuchtete Brücke und den Fluss. Das ….ist schon fast romantisch? Hatte ich so nicht erwartet und bin tatsächlich beeindruckt.
Nach ein paar Bier gehen wir los, in Richtung des Apartments, das ich gemietet habe und ich bin wieder etwas nervös. Aber er…bringt mich einfach nach Hause, drückt mich kurz und sagt gute Nacht?
Ich bin ganz froh, dass er es nicht versucht hat, weil an dem Abend hätte ich definitiv nein gesagt und das wäre es gewesen. Stattdessen schreibt er mir am nächsten Tag, wann ich wieder Zeit habe? Am Ende sehen wir uns am Mittwoch wieder, etwas früher am Tag und betreiben nochmal Barhopping.
Zwischendurch checkt er sein Handy und sagt was übers Wetten. Wie bitte, was? Ich weiß, das ist an dieser Stelle eigentlich unwichtig, aber ich habe einen Ex, der spielsüchtig war (lange vor mir), kriege also leichte Zuckungen.
Ich frage nach – Hunderennen. Australier wetten gern auf Dinge, hab ich gehört, das gilt vielleicht auch für eingebürgerte Kiwis? Ich finde es nur solange komisch, bis er sagt, er habe auf ein paar Dollar auf einen Hund gesetzt, der meinen Namen trägt? Bisschen befremdlich, aber auch irgendwie süß.
Ich bin a bisle angeheitert und stelle fest, ich mag ihn einfach? Ich sage nicht, dass da ein kausaler Zusammenhang bestehen muss, aber schließe es auch nicht aus. Betrunken ja, doof nein.
Was ich machen wolle, fragt er mich nach einer Weile und ich denke….eh ja, nichts, was ich jetzt so sagen würde. Allerdings muss ich am nächsten Morgen früh raus für einen Touri-Tagestrip. Und ich Depp sage natürlich nur, dass ich früh raus müsse – er ja wahrscheinlich auch, er hat ja Arbeit.
Wir stehen also auf und gehen wieder Richtung Wohnung und ich bin noch nervöser, weil eigentlich finde ich, er könnte jetzt mal? Also, mach doch mal was, Typ?
Nein, er macht nichts. Kann ja auch nicht Gedanken lesen, der Mann. Sagen, was man will – ist ja eigentlich schon meine Devise. Aber in dem Moment kriege ich nichts raus. Ich warte auf den Moment vor der Tür – dann stehen aber gefühlt sechs Menschen im hellsten Licht vor meiner Tür und ich kriege exakt gar nicht raus, dass er doch bitte mit hoch kommen solle?
Er umarmt mich und verschwindet in die Nacht. Nun gut, denke ich. So it goes.
Ok, vielleicht hab ich mir noch ein bisschen in den Allerwertesten gebissen deswegen.
ABER.
Er hat direkt vorgeschlagen, dass am Freitag ja Feiertag sei und er nicht arbeiten müsse, er könne also raus fahren mit mir zur Gold Coast? Yes, aber sowas von.
Freitagmorgen also hüpfe ich in meinem niedlichsten praktischen Outfit in sein Auto, Bikini drunter, eingeschmiert mit 50plus Sonnencreme bis zum geht nicht mehr.
Wir fahren also in diesen Ort, Gold Coast, das Wetter ist leider bescheiden und ich komme gar nicht dazu, zu fragen, ob er mir den Rücken noch eincremt. Wir trinken und essen etwas, er sagt er will noch Freunde besuchen? Ehh…okay, bin gar nicht dazu gekommen zu sagen, wie dermaßen viel social anxiety ich habe aber ich bin ja schon hier also we might as well.
Wir fahren zu seinen Freunden, die sind sehr nett, machen mir auf der Terrasse einen Drink – drinnen wartet allerdings mein australischer Albtraum – eine Schlange (im Terrarium). Yea, mir steht der Schweiß auf der Stirn und das nicht nur wegen des feucht-warmen Wetters – neue Leute mit lustigem Akzent und Schlange, schon herausfordernd für mich.
Weiter geht’s zu anderen Freunden und von da aus in den Pub, so langsam wird es später und später…ich muss um 10 Uhr aus meinem Apartment auschecken und fange schon an zu durchdenken, wie das jetzt eigentlich klappen soll? Dann fragt er, was ich machen will?
Toll, schon wieder schwierig, das rauszukriegen. Dieses Mal sitzt auch noch ein alter Mann mit am Tisch. Eh, ja, also ich muss ja noch auschecken und so….ich stammel etwas rum und naja, hab schon elegantere Verkehrsunfälle gesehen.
Er rettet den Tag und fragt, ob er ganz offen sein kann, weil er würde gern mit mir mitkommen. Ja gerne, sage ich – und falle ihm nicht um den Hals, während der alte Mann am Tisch (der mir kurz zuvor noch Konversation aufgezwungen hat) uns gefühlt beobachtet.
Und ich muss sagen, meine Erwartungshaltung war nicht sehr hoch, schon gar nicht nach einem ganzen Tag des Trinkens, aber: Was hab ich mich da geirrt.
Am nächsten Tag nehmen wir ein Uber zu ihm, essen noch was, hängen bei seinen Freunden ab und er fährt mich zum Flughafen.
Und dann? Ja dann stehe ich da am Flughafen und denke, das war echt schön und ein bisschen kurz. Aber so ist das mit den Reise-Bekanntschaften. Und die kenne ich zu Genüge.
Wenn ich eins gelernt habe in meiner Karriere als Solo-Reisende, dann, dass man sowas nicht wieder aufnehmen sollte.
Wie oft musste ich das probieren, um das zu lernen? Vier, fünf Mal vielleicht? Dazu später mehr.
Jetzt sitze ich erstmal am Flughafen und denke darüber nach, wie viel man in meinem Alter eigentlich gelernt haben muss über die Reise-Lust.
Fortsetzung folgt.
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