Reise-Lust: Fortuna on board

Aberglaube liegt mir nicht. Romantik auch nicht. Am Ende lebt aber die Romantik doch oft von den Geschichten, die wir uns zusammen spinnen. 

Nach meiner Rückkehr ins vergleichsweise kühle Neuseeland hatte ich gut anderthalb Wochen zu überbrücken.

Und die Zeit war auch schön – aber eben anders schön. Treffen wollte mich der Mann an einem Sonntagnachmittag in Taupo, das ist so halbwegs mittig auf der Nordinsel. 

Für ihn sind das gut fünf Stunden Fahrtzeit. Aber eigentlich könnte er auch schon früher kommen, schreibt er mir ein paar Tage vorher.

Ob ihm seine Mutter schon auf die Nerven gehe, frage ich?  Nein, weil er mich sehen wolle.

Der Samstag kommt und als ich aufwache, ist er schon unterwegs. Er holt mich nachmittags in Wellington ab und wir fahren auf einen Campingplatz etwas außerhalb der Stadt.

Tja, eine Woche im Wohnmobil mit jemandem, den man kaum kennt? Klingt irre, ist es auch.

Gut, wir haben bisher vielleicht insgesamt sechs Tage miteinander verbracht, großzügig gerechnet. Aber das kann ganz schön ins Auge gehen. 

Das Ding ist nur, es geht weit am Auge vorbei? 

Im nächsten Ort haben wir noch eine Unterkunft (weil ich mein gemietetes Zimmer nicht mehr stornieren konnte), machen etwas Tourikram. 

Als wir Hand in Hand von einer Bootsfahrt zurück zur Stadt spazieren, sagt der Mann, er würde überlegen, noch etwas länger zu bleiben, sprich, mit mir nach Auckland zu fahren und dort zu bleiben.

Ich – überraschtes Pikachu-Gesicht.

Er – Ja also nur, wenn du auch willst.

UmdenHallsfallGeräusch.

Na klar will ich das, was denkst du denn? Ich bin mehr als nur begeistert von der Idee – allerdings sagt er, er müsse das noch überlegen. 

Und dabei spielen wohl mehrere Faktoren eine Rolle: dass er während des Trips nichts verdient, wie wir uns verstehen und last, aber eher das Gegenteil von least – sein Sohn.

Mit dem hat er durch diesen Trip schon anderthalb eigentlich eingeplante Besuchstage verpasst. Jetzt ist der Jung 16 und nicht komplett darauf angewiesen, dass Papa ihn permanent bespaßt, allerdings ist das alles andere als ideal. 

Ich freue mich, dass er das überhaupt in Erwägung zieht – auch, wenn ich eigentlich nicht will, dass er die Zeit mit seinem Sohn absagt. 

Danach sitzen wir beim Essen und es kommt noch viel dicker. Er spricht davon, dass er sich nach 25 Jahren in Australien auch mal die Staatsbürgerschaft sichern könne. Das wollte er dieses Jahr mal machen. Dann könnten sie ihn nicht mehr rausschmeißen und überhaupt, also zum Beispiel wäre das bestimmt einfacher, wenn ich, also nur theoretisch, bei ihm in Australien leben wolle? 

Excuse me? 

Was ist die Steigerung vom Pikachu-Gesicht? Mir entgleisen kurzzeitig die Gesichtszüge. 

Zum Glück hab ich mal wieder ein Bier, an dem ich mich festhalten kann. Ich tue so, als hätte ich diesen Punkt nicht registriert. 

Ich bin jedoch verschossen genug in den Mann, um es sehr genau zu registrieren. Nur reden muss man da noch nicht drüber. Wer weiß schon, wie überhaupt die eine Woche läuft? 

Spoiler Alert: Sie läuft weiter gut. Er ist lieb, nett, zuvorkommend, er merkt sich Sachen. Er macht Komplimente. Wir haben Spaß.

Ab Mitte der Woche wird mir so langsam etwas flau im Magen, weil…naja, es ist nur eine Woche. Und er hat noch nichts dazu gesagt, ob er jetzt länger bleibt oder nicht. Es fühlt sich so an, als ob er wollte. Ich verstehe aber, warum es nicht ganz einfach ist.

Die Zeit des Abschieds rückt näher. Und den Flug umzubuchen wird nicht günstiger. Einen Tag bevor er mich absetzen wollte, sitzen wir morgens da und er ringt sichtlich mit sich. Dann zückt er die Kreditkarte und ist kurz davor, neu zu buchen. 

Ich sehe ihm an, dass ihm das mit seinem Sohn allerdings Kopfzerbrechen macht. Und ich kann das nicht mit ansehen. 

Stattdessen schlage ich vor, dass er mich noch einen halben Tag länger “behält” und mich statt Sonntagmittag am Montagmorgen in einem anderen Kaff absetzt. Von da aus könnte ich den Bus nach Auckland nehmen.

Ja ok, sagt er, dann machen wir es so. Später scherzt er, ob ich mit der Freundin, die wieder kommen wolle, in zwei Jahren zurück käme? Er würde mich dann auch wieder durchs Land chauffieren wollen. Oder er käme nach Deutschland. Was, in zwei Jahren? Ja vielleicht hast du dann schon einen Boyfriend, sagt er. Der kann ja zugucken, haha.

Well, okay, then, denke ich mir. Ist wohl doch nicht alles so rosig wie gedacht. Dann muss ich wohl die Zähne zusammen beißen und in den Bus steigen. 

Wir fahren zu einem Aussichtspunkt in dem Kaff, in dem er mich absetzen will. Er fängt mal wieder an, mit fremden Menschen zu reden. Ein älterer Herr spricht von diesem Autofestival, das am kommenden Wochenende stattfindet. 

Von genau diesem Festival hatte mir der Mann schon mal erzählt – da war er mal und einige seiner alten Freunde fahren da regelmäßig hin.

Der Mann schaut mich an und ich sehe, was da passiert. Er ändert seine Meinung. Kurz danach bucht er den Flug noch um und sagt seinem Sohn, dass er zu dem Autofestival fährt. 

Ein bisschen beleidigt bin ich ja schon, dass er das wegen des Festivals entscheidet. Und ja, auch traurig für den Sohn. 

Trotzdem glaube ich (oder rede mir ein), dass er so oder so hätte bleiben wollen. Vielleicht brauchte er nur einen guten Grund, den er seinem Sohn sagen wollte? 

Vielleicht war ihm das Auto-Dingens wirklich viel wichtiger? Ich kann es nicht sagen. 

Er hätte es als einen Wink des Schicksals verstanden, sagte er hinterher zu mir. Ich weiß nicht, ob ich an sowas glaube. In diesem absurden Kaff auf einem Hügel mit jemandem zu sprechen, der ihm den Grund liefert zu bleiben, bevor er mich absetzt – das fühlte sich allerdings sehr so an.

Doch ein bisschen so, als hätte mir Fortuna als Göttin des Glücks noch ein paar Tage mit ihm geschenkt. Oh, und was für Tage.

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