Reise-Lust: Umwege

Der Unterschied zwischen Urlaub und Reisen ist für mich, dass Reisen einen immer überraschen. Egal, wie viel man plant, ein paar Umwege gehören dazu. Und sind manchmal das Beste daran.

Ich tingelte also weiter vor mich hin durch Neuseeland – und traf Mann A wieder. Ja genau, den von vor zehn Jahren in New York. Nur, dass er halt in Neuseeland wohnt.

Ich schrieb ihm, ich sei in der Gegend und er war sofort dabei und wollte mich treffen. Wir verbrachten einen Tag mit Daydrinking und es war nett, aber ein dringendes Bedürfnis, das zu vertiefen, hatte ich nicht. 

Vielleicht war das bei ihm genauso? Ich zumindest dachte noch an den Mann in Australien. Jedenfalls trennten wir uns abends mit einer Umarmung und gut war. Naja, halbwegs gut, denn eigentlich sagte er, er wolle mich nochmal sehen, wenn ich wieder in der Stadt sei. 

Das allerdings fiel dann aus, weil ich auf dem Rückweg in den Norden der Südinsel einen kleinen Umweg einlegte – ihr ahnt es, über Australien. 

Mir war der Gedanke ja schon gekommen, dass ich einfach genug Zeit und Geld hätte, um nochmal zurück zu fliegen. Aber das wäre ja irre, nicht wahr? Und ich würde mich nicht einfach selbst einladen. Schechte Erfahrungen und so. Der würde doch denken, ich bin bescheuert.

Well, vielleicht dachte er das auch. Aber ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl war genug. Ich befand mich grad in einer verschlafenen Kleinstadt auf der Südinsel und war das Sightseeing für den Moment leid. Das Wetter war mies, die Stadt hügelig und ich unleidlich – ich erwarb eine Flasche Wein und igelte mich mit einem Buch in meinem Zimmer ein.

Da piepste das Telefon – der Mann hatte mir ein Video geschickt, wie er mit seinen Freunden am Fluss abhing bei bestem Wetter. Natürlich, die haben da selten anderes Wetter.

Zeit, um das Glas Wein zu exen und den Zaunpfahl rauszukramen: Oh, das sieht toll aus, da werd ich ja glatt neidisch.

Ob er da zucken würde? 

Ich sei willkommen zurück, sagte er. 

Mehr Wein.

Ey, erinner dich, ich bin aus Deutschland, wenn du mir sowas sagst, nehme ich das für bare Münze! 

Vielleicht hätte er es schon früher bei mir versuchen sollen, sagt er. Aber das sei einfach nicht seine Art. Er würde sich wirklich freuen, mich wieder da zu haben.

Lautes Kreischen und noch mehr Wein.

Wir diskutieren über das Datum, ich entscheide einen Ort in Neuseeland ausfallen zu lassen und buche einen Flug.

Der Spaß kostet etwas über 500 EUR, aber hey, YOLO. 

Er könne es gar nicht erwarten, sagt er. Ich bin euphorisch und auch ziemlich betrunken, wobei ersteres die ganze nächste Woche über anhält. 

Letzteres bezahle ich dann später in der Nacht und am nächsten Tag noch mit einem ausgewachsenen Kater.

Die Euphorie hält zwar an, aber ich habe auch mal Momente der Klarheit: Was ist, wenn er es sich anders überlegt? Gut, dann miete ich mir ein Zimmer irgendwo. Was, wenn es scheiße ist beim Wiedersehen? Und viel schlimmer: Was ist, wenn es richtig gut ist? 

Ich texte mit einer Freundin, die mir von dem Plan abrät…..das ist so weit weg und der Mann ist erst ein paar Monate getrennt von seiner Langzeitpartnerin. Das ist doch irre, du wirst nur verletzt etc….ob er denn gut aussieht, fragt sie? Ich schicke ihr einen Screenshot von seinem Tinder-Bild.

Die Antwort bringt mich auch jetzt noch zum Lachen: Jesus Fucking Christ. Vergiss, was ich gesagt hab. Fahr hin.

Und das tat ich dann auch.

“A journey is a person in itself; no two are alike. And all plans, safeguards, policing, and coercion are fruitless. We find after years of struggle that we do not take a trip; a trip takes us. Tour masters, schedules, reservations, brass-bound and inevitable, dash themselves to wreckage on the personality of the trip. Only when this is recognized can the blown-in-the glass bum relax and go along with it. Only then do the frustrations fall away. In this a journey is like marriage. The certain way to be wrong is to think you control it.”

John Steinbeck, Travels with Charley: In Search of America

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