Merz’sche Selbstliebe

Du musst dich einfach mehr selbst lieben – dieser Satz ist der Friedrich Merz unter den Ratschlägen. Niemand will ihn hören oder sehen, aber trotzdem ist er immer da.

Klappt nicht so in der Liebe? Na dann streng dich gefälligst mehr an!

Ist gut gemeint und so. Und wenn dir jemand helfen möchte, will man ja nicht unhöflich sein und sagen, dass er/sie/they sich den Ratschlag in den Arsch schieben mögen.

Obwohl ich auch diese unsanfte Antwort dann nur gut meinen würde.

Dass dich niemand anders lieben kann, wenn du dich nicht selbst in allen verdammten Aspekten deiner Existenz liebst, ist Bullshit.

Denn was will einem das denn sagen: Ohja, also wenn du niemanden finden kannst, ist es deine Schuld. Du hast dich nicht genug angestrengt. Mit diesem Mist werfen selbst die Leute um sich, die sonst den Kapitalismus in allen Grundzügen ablehnen.

Wie ich auf diesen Vergleich jetzt komme?

Man sollte keinen Menschen danach beurteilen, was er „leistet“, wie viel er arbeitet und auch nicht von einem Beruf und einem Gehaltsniveau auf die Anstrengungen einer Person schließen.

Lohnarbeit? Pfui – da können sich die meisten Menschen drauf einigen.

Aber an sich selbst arbeiten? Da wendet sich das Blatt, denn wenn man persönliche Probleme hat und nicht den ganzen Tag wie ein zugekokster Teletubbie vor Glück jauchzend durch die Weltgeschichte hopst, dann hat man ja was falsch gemacht, nicht wahr? 

Mach nochmal ein paar Meditations-Retreats und geh zur Therapie, lies ein paar Selbsthilfe-Bücher, erzähl dir jeden Tag irgendeinen Quark, während du vor dem Spiegel stehst.

Was, das funktioniert nicht? Dann hast du dich nur nicht richtig angestrengt – los, los! Mach mehr! Schön an dir arbeiten! Sonst kann dich ja niemand lieben.

Solche Ratschläge wie „Liebe dich selbst“ kommen mir vor wie Friedrich Merz, der einem Obdachlosen sein Buch über Erfolg geschenkt hat.

„Dir geht’s scheiße? Na dann streng dich gefälligst an, ist ja offensichtlich deine Schuld.“

Das ist ein fieses und hartes Bild, ich weiß. Ich hoffe einfach, dass so der Vergleich von „Du musst dich einfach mehr anstrengend“ und „Du musst dich einfach mehr selbst lieben“ klarer wird.

Dieser Rat IST ja am Ende auch immer gut gemeint. Kommt aber genauso rüber wie die Merz’sche Nächstenliebe. Hilfe zur Selbstliebe, nur halt keine Hilfe.

Es ist vor allem eins: übergriffig. Ist ein gesunder Selbstwert die Basis einer hoffentlich ebenso gesunden Beziehung? Aber bestimmt. Doch kommt eben dieser Selbstwert nicht davon, dass einem jemand ein Mal gesagt hat, dass man sich lieben soll.

Außerdem habe ich genügend Leute gesehen, die in Selbstzweifeln badeten und die trotzdem in einer Partnerschaft waren. Und das immer und immer wieder waren, mit einem bunten Strauß an psychischen Problemen und Selbstzweifeln.

Das KANN einfach nicht der Grund sein also. Hört verdammt nochmal auf, den Leuten einzureden, dass es ihre eigene Schuld ist, wenn sie allein sind.

Ich liebe mich schon – so wie ich einen Partner gern lieben würde. Ich bin mir meiner Qualitäten und meiner Schwächen bewusst und liebe mich einfach. Fertig.

Das korrekte Statement wäre jetzt wahrscheinlich, dass man jemanden WEGEN seiner Schwächen liebt? Ich hab‘ keine Ahnung, ich hab noch nie jemanden geliebt und andersrum genauso wenig.

Menschen zu sagen, dass ihnen die Selbstliebe fehlt – das endet nur in einem unfassbaren Kreisel aus noch mehr Selbsthass.

Damit schiebt man nur den Menschen, denen es eh schon schlecht geht, die Schuld zu.

Wenn du deine Komplexe nicht besiegen kannst, wird dich auch keiner lieben.

Ja toll, prima Teufelskreis, dann kann ich auch direkt aufgeben.

Noch mehr, als ich mich schon liebe, kann ich mich nicht lieben. Ich kann mich lieben, obwohl ich mich hässlich finde. Das ist doch was, oder nicht?

Schön finden, das kann ich mich nicht. Eh, eh, wehe, jetzt fängt einer an mit, doch, du kannst.

Geht’s irgendwem anders damit am Oasch, ich kann es nicht und werde es nicht.

Sind aber viele andere Menschen auch nicht. Und die werden trotzdem geliebt.

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