Die Alarmglocken spielen unser Lied

Was ist noch beschissener als post-koitales Ghosting? Post-koitales Ghosting, gepaart mit ein bisschen Mansplaining und Fremdgehen?

(Teil 1 und 2 dieser Geschichte sind hier zu finden)

Auf meine Nachricht von Sonntagabend folgt erstmal keine Antwort. Auch ok.

Am Montagmittag sitze ich da, scrolle gelangweilt durch Twitter und sehe, dass er reichlich getweeted hat. Gut, jaja – kann ja jeder machen, wie er will – aber natürlich triggert mich das.

Ich lese also seine Tweets und mein Blick fällt auf seine Twitter-Bio: Chief Daddy Officer & Bester Koch im Haus.

Wait……..wait…….also, jetzt echt. Bester Koch in wessen Haus? Kocht dein Kind schon? Die Alarmglocken spielen mein Lied, Baby. Viel zu spät, aber besser als nie.

Ich hab grad wenig zu tun auf der Arbeit also scrolle ich zurück. Wann war noch mein Sabbatical, als wir uns das erste Mal trafen? Richtig, 2016. Und was finde ich da?

„Frau sagt, ich soll rausgehen. TV-Sendung ist zu Porno, sagt sie“ – 2016.

„Dem Baby was vom Stilltee der Frau zu geben, funktioniert auch nicht.“ – Juli 2017.

Seid ihr verliebt? Ist die Frage auf Twitter. ER: „Seit sechs Jahren. Vor drei Jahren ist noch einer dazu gekommen. Ein Teufelskreis.“ 2019.

Irgendwo dazwischen noch was von kuscheln auf der Couch am Sonntagabend mit Sohn und Frau.

Ich hab mal was mit Recherche gelernt, aber das ist in diesem Fall unnötig. Jeder Affe könnte mit zwei Clicks von diesem Punkt auf sein Linkedin-Profil kommen.

Und was steht da? Abgesehen davon, dass er schreibt, er würde hobbymäßig „COCKbooks“ sammeln – das ist nicht das gleiche wie COOKbooks, Kollege – #Servicetweet.

Dezember 2016 – Dezember 2017 – Elternzeit. Family Fun.

Wie so gut wie jeder Journalist bin ich nicht so gut in Mathe, aber dafür reicht es noch. Ich war Mitte 2016 wieder zurück in Berlin und wir haben lange davor geschrieben – und nicht übers Wetter.

So…..was ist da passiert? Internet sagt ganz klar: Beziehung. Frau wahrscheinlich schwanger oder Kind gerade da.

Meine Kinnlade fällt so weit runter, dass ich mich bei den Nachbarn unter mir entschuldigen muss.

Ich gehe nach neun Monaten Abstinenz erstmal ne Packung Kippen kaufen. Das verringert meine innere Unruhe allerdings nicht.

Ich schreibe ihm: Das mit Frau und Kind war kein Witz, oder? Grad den Twitter-Account angeguckt. Ob er damals vor fünf Jahren in ner Beziehung war oder jetzt? Oder in ner offenen Beziehung?

Er sagt nichts.

Am nächsten Tag schreibe ich eine passiv-aggressive Non-Mention.

Ja, sorry, sagt er. Sein Wochenende sei gut gewesen.

„Haha. Frau und Kind? Wo? Hier. Ich muss mal suchen. Also die Frau. Kind, ja. Aber Frau – Nö? Glaubst du alles, was auf Twitter steht?“

Ich hatte vorher noch getönt, dass keine Antwort schlechter sei als keine Antwort. Das muss ich revidieren. Antworten mit Gegenfragen sind grundsätzlich schlechter. Aber sprechen eben auch dafür, dass man nichts anderes zu sagen hat.

Denn eine Frau auf Twitter erfinden – ja, möglich. Aber in nem anderen Kontext. Wer erfindet Shit über den Stilltee der Frau? Klar, muss nicht seine Frau gewesen sein. Vielleicht meint er die Ex. Eine Freundin?

Scheint mir allerdings ziemlich unwahrscheinlich.

Es gibt, gerade in Berlin, genügend interessante Beziehungsmodelle, in denen Menschen so leben. Er könnte eine offene Beziehung gehabt haben, ein Kind mit einer Freundin gekriegt haben, viele Möglichkeiten.

Aber glaube ich wirklich, dass sich jemand Elternzeit nimmt und dann über den Stilltee der Frau twittert, der nicht in einer Beziehung lebt? Der sich bei Sex-Plattformen mit falschem Namen anmeldet? Eher weniger.

Ein anderer Punkt ist die Dreistigkeit, mich zu ghosten. Ja ich weiß, ich hab ihn vor fünf Jahren geghosted. Anderer Kontext allerdings.

Dafür hat er nach dem ersten Date-Versuch Bonus-Punkte gekriegt. Da endet jetzt meine Höflichkeit. Nach dem Text ob ich alles auf Twitter glaube, frage ich ihn, ob er sich auf Twitter die Frau also ausgedacht habe? Nichts. Ein, zwei Wochen später texte ich nochmal und frage einfach ob er Bock hat, sich zu treffen.

Da er dieses Mal ganz offen auf Twitter geschrieben hat, gehe ich eigentlich davon aus, dass sich die wie auch immer geartete Beziehung erledigt hat. Aber kommt da wirklich in dieser Situation die Wohnungsrenovierung grad so passend? Er wollte schließlich dringend nicht zu sich nach Hause.

Oder wollte er nur nicht, dass ich aus Versehen ins Kinderzimmer latsche und Fragen stelle?

„Oh, du hast ein Kind. Wie alt ist denn XY?“ Eh, fünf. Wait…….aber vor fünf Jahren haben wir doch….

Viele Möglichkeiten.

Das hat mich so sehr getriggert, dass ich vollkommen im Eimer war danach. Sowohl weil mir das alles etwas rätselhaft bleibt, als auch wegen des Ghostings – und der möglichen Erklärung.

Eine Retourkutsche für vor fünf Jahren? Wie ein „Ich-Steh-Halt-Nicht-Auf-Dich“ hat es sich nicht angefühlt, aber ist möglich.

Diese Option trifft voll in meine „Ich-bin-nicht-gut-genug-Issues“.

Die andere Option ist, dass ich doch die ANDERE war. Oder besser gesagt, EINE ANDERE. Das wiederum würde voll in meine Kindheits-Issues treffen. Beides verursacht mir permanenten Brechreiz oder Bock auf Zigaretten. Pick your poison.

Ich halte mich in dieser einen Sache für übertrieben moralisch: ALLES ist cool, solange es zwischen Erwachsenen passiert, die über alles Bescheid wissen. Ihr habt ne offene Beziehung? Fein.

Ihr seid zwei Erwachsene, die sich gegenseig windeln, schlagen oder sonstwas? Bitte, habt Spaß.

Aber wenn du jemanden verarscht, bin ich nicht an Bord. Ganz im Gegenteil.

Ich treffe demnächst deine Nachbarn zum Kaffee. Prenzlauer Berg ist so ein Dorf. Aber so blöd, mir offen bei Twitter ein Date anzubieten, wenn man noch theoretisch monogam verpartnert ist, würde doch keiner sein, oder?

ODER?

Andererseits, wer ist so dumm und trifft Entscheidungen auf leeren Magen, mit ein paar Bier und ner Ibuprofen? Und lässt sich gleich zwei Mal verarschen?

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