Kennen wir uns?

Ja, wir kannten uns. Im biblischen Sinne. Das wusste er aber nicht, als er mich auf Twitter anschrieb und um ein Date bat.

War das der Beginn einer tollen Lovestory? Das hier wäre kein Beitrag geworden, wenn dem so wäre…

Ich erinnere mich noch dunkel, dass mir ein leises: „Ach guck“ entfuhrt, als ich merkte, dass er mir auf Twitter folgte. Er – mit dem ich vor fünf Jahren mal einen One-Night-Stand hatte.

Er begann, meine Tweets auch zu liken und zwar reihenweise. Und irgendwann fragte er, per Tweet, nicht per Direktnachricht: Wo ist denn Marla, wenn man mal ein gutes Date haben will?

Der Witz ist, dass er nicht wissen konnte, dass ich ICH bin. Wenn man überhaupt annehmen will, dass er sich daran erinnern konnte. Ich fand das jedenfalls witzig.

Nun, wir schrieben auf Twitter. Ich erklärte, wer ich bin und dass wir uns schon kennen. Im biblischen Sinne jedenfalls. Von kennen im eigentlichen Sinne konnte man nicht sprechen.

„Du hast dich nicht mehr zurückgemeldet“, war die Antwort.

Ja, das stimmt. Guilty as charged.

Die Vorgeschichte dazu: Vor fünf Jahren befand ich mich auf einem Sabbatical und tourte durch Asien. Die Tour an sich war klasse, viel gesehen, getrunken, und ja auch die ein oder andere Affäre gehabt – aber grundsätzlich war ich deprimiert.

So trieb ich mich manchmal abends in meinem Hostel-Zimmer deluxe im Internet rum und lernte ihn kennen, auf einer Dating-Seite, die wirklich nicht für’s große Liebe finden gedacht war.

Ich will nicht sagen, ihr wisst, was ich meine – weil das ist furchtbar. Wann immer das jemand sagt, wissen es alle schon längst und rollen hart mit den Augen.

So, wir schienen ganz gut zu harmonieren und texteten immer mal wieder, während ich so meine Runden über den Kontinent da drüben drehte.

Als ich wieder in Berlin ankam – etwa Mitte 2016 (dieses Datum wird noch wichtig, gut aufpassen hier) – trafen wir uns dann auch und hatten Sex.

Ich versuchte in dieser Zeit, wieder in den normalen Trott von Alltag und Büro reinzukommen und fand irgendwie alles so mittel. Ganz normale Reaktion wahrscheinlich, wenn man erstmal sechs Monate lang die Freiheit genossen hat. Und ja, ich habe mich irgendwann nicht mehr bei ihm gemeldet.

Das lag vor allem an meinem Eingewöhnungsprozess ins Leben, weil ich einfach mit allem zu kämpfen hatte und lauter mäßig gute B- und C-Pläne schmiedete: Irgendwas zwischen Komplett-Makeover beim Chirurgen, Zweitausbildung machen und alles hinschmeißen und/oder nach Vietnam ziehen.

Der andere Faktor war, dass ich schlicht und ergreifend schnell ermüdet bin von rein einseitig ausgelegten Bekanntschaften. Ja, Sex ist toll und so, aber irgendwie verbessert es auf diese Art und Weise meine Stimmung nicht, sondern verschlechtert sie.

Die ganze Zeit scheint mir ein wenig weit weg – ich erinnere mich an viele Sachen nur noch bruchstückhaft. Hört sich jetzt so an als wäre ich 55 und nicht 35, aber ja.

WAS ich allerdings noch wusste: Dass er sich erst mit einem anderen Namen vorgestellt hatte. Also Vornamen. Und ich das weird fand. Verdächtig geradezu.

Das sei sein „Dating-mit-Vorsicht-Name“ gewesen und das hätte er mir auch gesagt, betonte er dieses Jahr dann.

Ich dachte naja, nungut, wird schon nichts bei gewesen sein, aber mein Bauchgefühl bei der Sache war irgendwie awkward.

Sorry für den Anglizismus (mal wieder), aber ja, ich hatte immer ein komisches Gefühl, als wäre da was im Busch und als wäre das im Busch kein Baby-Panda.

Und obwohl ich mich ansonsten für eher skeptisch halte, bin ich auch nicht die, die alles anzweifelt, was mir jemand erzählt. Meistens, jedenfalls. Das beste Beispiel folgt dann später.

Er fände es witzig, dass er mich allein aufgrund meiner Tweets an, bzw. ausziehend gefunden hätte, sagte er.

Wir einigten uns darauf, doch mal zusammen ein Bier trinken zu gehen und diese absurde Form des Wieder-Kennenlernens damit zu begießen.

Allerdings hatte ich dann erstmal keine Zeit – danach fragte er mich ab und an, ob er nicht mal so vorbeikommen solle, abends spät, nach ein paar Bier – ich lehnte ab, hatte erstmal keinen Bock mehr auf sowas. Am Ende einigten wir uns nach ein paar Wochen darauf, dann am nächsten Mittwoch ein Bier trinken zu gehen.

Am Tag vorher textete ich: Na, wie sieht’s aus mit morgen?

Und dann kam: Nichts. Für zwei oder drei Wochen. Eigenartig, aber ok. Ich fand es komisch, weil er vorher doch recht interessiert rübergekommen war, aber ich bin ja einiges gewöhnt.

Als ich dann etwas anderes postete, tauchte er plötzlich wieder auf.

Wie es dann zum eigentlichen Date kam und wie ich (erneut) herausfand, woher mein schlechtes Bauchgefühl kam, folgt in der nächsten Geschichte.

Wer sich mit Science-Fiction auskennt, weiß: Wenn sich die Zeitlinien gegenseitig Besuch abstatten, weil man sich eigentlich schon kennt und dann auch wieder nicht – wird die Geschichte immer verworren.

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